Hallo an Alle - Ich und mein Problem

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Dopps
Beiträge: 3
Registriert: Fr 14. Dez 2018, 23:53

Hallo an Alle - Ich und mein Problem

Beitrag von Dopps »

Hallo,
Mein Name ist Tobias , ich bin Anfang 30 und seit kurzer Zeit ist mir bewusst, dass ich ein Problem habe. Ich würde euch an dieser Stelle einmal gerne mein Problem vorstellen.
Immer wenn ich meine Wohnung verlassen möchte, kontrolliere ob alle Steckerleisten ausgeschaltet sind, ob die Fenster verschlossen sind, die Wasserhähne zu sind und der Herd ausgeschaltet ist (visuell und per abtasten). Von jedem Schritt muss ich Fotos und ggf. Videos machen. Diese Prozedur wiederholt sich dann ein paar Mal. An guten Tagen kann ich dann nach dem Abschließen der Wohnungstür und der Kontrolle, dass die Tür wirklich zu ist, das Haus verlassen und meines Weges gehen. An schlimmen Tagen muss ich nochmals in die Wohnung für eine „letzte“ Runde.An ganz schlimmen Tagen spielt alles was ich zuvor gemacht habe keine Rolle und ich muss von ganz vorne anfangen. Mache ich diese Kontrollen nicht wird mir Übel und ich verfalle fast regelmäßig in Panikzustände („Meine Wohnung wird voll mit Wasser laufen, der Herd wird einen Kurzschluss haben und alles wird abbrennen, etc.“)

Zu Anfang ist es mir nicht aufgefallen, da ich nur einmal kurz den Herd kontrolliert habe. Doch es wurde immer schlimmer. Mir ist vor einigen Tagen aufgefallen, dass meine „Kontrollrunde“ über eine Stunde gedauert hat und ich mehr als 20 Fotos auf dem Handy von abgeschalteten Wasserhähnen, verschlossenen Fenstern etc. hatte. Ich habe es versucht die Wohnung zu verlassen, ohne diese Kontrollen jedoch überkommt mich die pure Panik.
Nun wird auch die „Dauer der Abwesenheit“ immer kürzer, d.h. Zeiträume für die ich die Wohnung ohne Kontrolle kann. Nur kurz zum Bäcker? Kein Problem, keine Kontrolle notwendig. 2 Stunden? Geht noch so. den ganzen Nachmittag außer Haus? Lieber nochmal kontrollieren. über nacht? Ausnahmezustand. mehr als eine Nacht? daran möchte ich nicht einmal denken.

Jetzt hatte ich daran gedacht mir eine Überwachungskamera zu besorgen, damit ich jederzeit ein Auge auf die Wohnung werfen kann und sehe im „nicht hilfreiche Hilfsmittel“ Bereich, dass dies eher nicht so sinnvoll ist. Das bringt mich sehr aus dem Konzept. Nun steht Weihnachten an und der Gedanke, dass ich über mehrere Tage meine Familie besuchen werde lässt mich bereits jetzt zeitweise in Panik verfallen.

Hat jemand für einen Tipp für mich? eine Strategie wie ich mit der Situation zu Beginn umgehen soll? Soll ich dem Drang nach Hilfsmitteln erst einmal nachgeben?

Ich weiß nicht wie ich mit der Gesamtsituation umgehen soll, da ich mir dieses Problems nun erst seit sehr kurzer Zeit selbst bewusst bin. Geht man damit zunächst zum Allgemeinarzt? Meldet man sich direkt bei der Krankenkasse? oder bei bestimmten Hilfehotlines?

Mit freundlichen Grüßen
Tobias
Alpha Centauri
Beiträge: 35
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:21

Re: Hallo an Alle - Ich und mein Problem

Beitrag von Alpha Centauri »

Hallo Tobias!

Zunächst mal: Hier bist Du völlig richtig. In der Regel tut es schon gut, festzustellen, dass man mit einem "spezifischen" Problem nicht allein dasteht. Man erhält zudem wertvolle Erfahrungsberichte, kann über die DGZ Listen von passenden Therapeuten im Umfeld bekommen.

Der von Dir beschriebene Kontrolldruck ist auch Teil meines Problems. Vor allem, vor der Nachtruhe (ob nun daheim oder unterwegs) muss ich alles gecheckt haben. Damit habe ich früher auch schon mal täglich Stunden verbracht. Inzwischen konnte ich das aber auf wenige Minuten reduzieren. Meine Strategie kann aber nur ein Zwischenschritt sein. Das Ziel soll und muss immer bleiben, den Gedanken, mit denen die Zwangserkrankung Dich befeuert, nicht nachzugeben und ihnen somit auch weder Beachtung noch Wertigkeit zu geben.

Wenn ich weiß, dass ich nachts nicht kontrollieren kann, mache ich eine festgelegte Runde, habe mir Kürzel für Herd & Co angeeignet und notiere mir diese kurz und knapp im Notizblock meines Handys. Kryptische Zeichen. Möglichst nur einmal schauen, kurz notieren, weiter. Ich weiß, ich könnte im Zweifel nochmal draufsehen (mache ich tatsächlich so gut wie nie). Du kannst und musst Dir und Deinen Kurz-Notizen nach dieser Runde vertrauen, solltest kein zweites Mal losziehen. Ähnlich ist es abends, bevor ich zu Bett gehe. Wobei ich dann Zettel und Bleistift wähle, weil ich mein Handy nachts ausschalte. Dies hat mir geholfen, den Zeitaufwand und die emotionale Anspannung durch die Kontrollen deutlich so reduzieren. Aber, wie schon oben ausgedrückt: Das kann nur ein Zwischenschritt sein.

Mittelfristig dürftest Du mit einer Verhaltenstherapie (weitere) Fortschritte erzielen, möglicherweise mit zudem medikamentöser Unterstützung.

Einen schönen Gruß!
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OCD-Marie
Beiträge: 262
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Hallo an Alle - Ich und mein Problem

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo Tobias !

Ja, deiner Beschreibung nach würde ich auch sagen, du hast ein Problem. Und das ist alles andere als klein...

Den "Weg zur Therapie" kannst du z.B. hier: https://www.psychotherapiesuche.de/pid/ersteschritte nachlesen. Zudem hat die DGZ Therapeuten-Listen - einfach mal dort anrufen.

Wichtig wäre auch, dass du so viel wie möglich über dein "Problem" lernst. Tips mit Youtube-Videos gibt es z.B. hier: https://www.zwaenge-forum.de/viewtopic.php?f=2&t=66. Vor allem den Tip von Antonia kann ich dir sehr empfehlen.

Eine einschlägige Bücher-Liste findest du auf der Seite der DGZ sowie einige Bücher hier: https://www.zwaenge-forum.de/viewtopic. ... Ccher#p364

Dann - hast du schon gelernt, dich zu entspannen ? Vermutlich nicht. Das erlernen und dann auch regelmässige Praktizieren einer Entspannungsmethode wäre aus meiner Sicht ein wichtiger therapieunterstüztender Schritt. Warum, das kannst du z.B. hier https://www.zwaenge-forum.de/viewtopic. ... thode#p110 nachlesen.

Nun zu deiner Frage: "Hat jemand für einen Tipp für mich? eine Strategie wie ich mit der Situation zu Beginn umgehen soll? Soll ich dem Drang nach Hilfsmitteln erst einmal nachgeben?"

Du wirst am Anfang ohnehin vermutlich nur wenig "Wahlfreiheit" haben. Meist wird es am Ende darauf hinauslaufen, dass du der Angst doch mehr oder weniger nachgibst. Jedoch: Nachgeben unterhält und verstärkt den Zwang jedes Mal aufs neue. Die therapeutische Antwort lautet daher ganz klar "nicht nachgeben".

Und zur "Überachungskamera"... eine wird ja vermutlich kaum ausreichen. Denn viel mehr als ein Raum wirst du damit nicht erfassen können. Also wirst du mehrere brauchen. Das würde aber auch bedeuten, dass während deiner Abwesenheit durchgehend elektrische Geräte laufen. Was, wenn gerade eines davon einen Kurzschluss hätte oder überhitzen würde und so erst ein Brand entstünde ?
Gäbe es tatsächlich einen Wasserschaden oder Brand - welchen Nutzen hätte es, der Wohnung aus der Entfernung beim Ausbrennen / Absaufen zusehen zu können ? Ein Schaden vermeiden lässt sich so definitiv nicht.
Und schließlich: wie oft wolltest du dann die Kamera-Bilder kontrollieren ? Einmal am Tag ? Jede Stunde ? Alle fünf Minuten ? Ich fürchte, am Ende würdest du ständig darauf schauen - und könntest dir so deine Auswärts-Besuche eigentlich ganz sparen...
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Yorge
Beiträge: 333
Registriert: Fr 1. Jun 2018, 23:36

Re: Hallo an Alle - Ich und mein Problem

Beitrag von Yorge »

Willkommen Tobias!
Was du da, wie ich finde recht anschaulich, schilderst, scheint ein Kontrollzwang zu sein. Auch ganz typisch kommt mir vor, wie sich die Symptome ausbreiten und dich nach und nach in deinem Leben, wie du es eigentlich führen möchtest und für vernünftig hältst, einschränken. Du dürftest aber bereits einen hilfreichen Weg eingeschlagen haben, indem du dir selbst bewusst wirst, was du da eigentlich machst und wozu das führen wird, wenn du nichts daran änderst und wenn du dir nicht Hilfe suchst. Neue weitere "Sicherheitsmaßnahmen" (nenne ich sie einmal), die du dir jetzt noch zusätzlich angewöhnst, wirst du dir später wieder mühsam abgewöhnen müssen. Du musst selbst (vielleicht gleich mal mit Unterstützung) entscheiden, ob du nicht gleich von vornherein, darauf verzichten kannst, oder ob du es im Moment einfach nicht ohne aushältst. Sich selbst zu viel Druck zu machen kann auch die Anspannung steigern, damit das ungute Gefühl und das Bedürfnis nach mehr Sicherheit. Vielleicht schaffst du es ja vorerst alleine "nur", dir möglichst wenig neue Sicherheitsmaßnahmen anzugewöhnen. Therapeutische Hilfe wird notwendig sein, aber auch sich selbst mit sich und dem Problem auseinanderzusetzen wird sowieso nicht ausbleiben und damit kannst du ja gleich weitermachen z.B. durch Lesen. Deiner Schilderung zufolge scheinst du etwas zu Panik neigen, also setze deinen Weg, mit möglichst wenig neuen störenden Zwängen, konsequent fort, ohne dich all zu sehr wieder damit zu stressen. Vielleicht hilft es dir auch von vornherein dir etwas mehr Ruhe zu gönnen (möglichst ohne dich mit Zwangshandlungen oder Zwangsgedanken kurzfristig zu beruhigen).
Für mich ist es zum Beispiel hilfreich, indem ich hier lese und schreibe, mir selbst zu vergegenwärtigen, worum es geht oder auch im Kontakt mit anderen weiter danach zu suchen- immer und immer wieder einen kleinen Schritt weiter..
Weiterhin alles Gute!
Zuletzt geändert von Yorge am So 16. Dez 2018, 02:33, insgesamt 2-mal geändert.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Dopps
Beiträge: 3
Registriert: Fr 14. Dez 2018, 23:53

Re: Hallo an Alle - Ich und mein Problem

Beitrag von Dopps »

Hi,

Vielen, vielen Dank für die schnellen Antworten.
Jetzt habe ich schonmal ein paar gute Punkte bei denen ich anfangen kann Informationen zu sammeln.

LG Tobias
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michael_m
Beiträge: 613
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Hallo an Alle - Ich und mein Problem

Beitrag von michael_m »

Hallo Tobias,

herzlich willkommen hier im Forum!

Du hast ja schon einiges an Tipps und Anregungen bekommen.
Solltest du dich für eine Therapie entscheiden (was wohl sinnvoll ist bzw. meist der leichtere Weg), solltest du darauf achten, dass eine Exposition (Konfrontation) bei dir Zuhause möglich ist. Bei meiner ersten Therapie war das leider nicht drin. Umso mehr freut es mich, dass mein derzeitiger Therapeut sich da die Zeit und den Aufwand dafür auf sich nimmt.
Bei mir geht es am Freitag mit der zweiten Expo in meiner Wohnung weiter.
Dopps hat geschrieben: Sa 15. Dez 2018, 00:40 Jetzt hatte ich daran gedacht mir eine Überwachungskamera zu besorgen, damit ich jederzeit ein Auge auf die Wohnung werfen kann und sehe im „nicht hilfreiche Hilfsmittel“ Bereich, dass dies eher nicht so sinnvoll ist.
Ja, ich war derjenige im Thread, auf die Webcam hingewiesen hat. Umso mehr Kontrollmöglichkeiten du schaffst, umso mehr verstärkt sich meist der Zwang. Die (zugegeben schwierige) Kunst ist es, die Angst/Gefahr zu akzeptieren/auszuhalten.

Ich habe eine Haussteuerung, mit der ich zeitweise auch mir eine SMS schicken lassen habe, wenn während der Abwesenheit Fenster oder Türen geöffnet werden. Inzwischen nutze ich diese Funktion nicht mehr.
Zum einen, weil ich weiß, dass es für die Zwangsstörung nicht gut ist. Aber auch, weil ich ironischerweise Angst vor einem Fehlalarm habe. ;) Ich könnte ja zu einem ungünstigen Zeitpunkt die SMS bekommen und dann in die Bredouille kommen, dass ich zur Wohnung aufbrechen müsste. Und dann wäre ggf. alles für die Katz, weil es nur ein Fehlalarm war. Oder es kommt ein Fehlalarm und ich kann aber nicht zur Wohnung fahren - was würde ich dann machen?
Ja, der Zwang treibt manchmal schon komische Blüten. ;)

Bei der Webcam würde es mich z. B. wahrscheinlich zwangsmäßig fertig machen, wenn die Webcam aufgrund irgendwelcher technischen Störungen nicht erreichbar wäre. Bei mir würden aber auch Bilder/Videos bei der "normalen" Kontrollrunde nicht funktionieren ...

Viele Grüße, Michael
Mänju
Beiträge: 25
Registriert: Fr 30. Nov 2018, 15:38

Re: Hallo an Alle - Ich und mein Problem

Beitrag von Mänju »

Hallo Tobias,
in deiner Beschreibung finde ich mich total wieder.
Ich habe genau das selbe Problem.
Ich mache auch oft Bilder und Videos meiner ganzen Wohnung bevor ich das Haus verlasse.
Im Grunde weiß ich, dass das eher kontraproduktiv ist. Aber es hilft mir pünktlich bei der Arbeit zu erscheinen.
(Wenn auch mindestens 20 min. bis halbe Std. dafür eingeplant werden)
Ich selber habe diese Woche ein erstes Therapiegespräch einer Verhaltenstherapie.
Ich bin froh, dass es endlich los geht...
Hoffentlich passt es zwischen mir und meiner Therapeutin. Dann hat das Suchen ein Ende.
Es ist nämlich leider garnicht so leicht schnell einen Therapieplatz zu bekommen.
Ich glaube aber, ohne Therapie kommt man auch nur sehr schwer, oder quasi garnicht aus der Sache wieder raus. Deshalb würde auch ich dir zu einer Verhaltenstherapie raten...

Ich dachte auch immer ich bin allein damit. Aber es gibt, wie du siehst, doch sehr viele Leidensgenossen!

Lieben Gruß
Mänju
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