(Hände-)Waschzwang

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Christoph_Köln

(Hände-)Waschzwang

Beitrag von Christoph_Köln »

Hallo zusammen,

ich bin Christoph, 30 Jahre alt und leide seit einigen Jahren an einem Waschzwang und bin daher auch seit einem halben Jahr in psychologischer Behandlung. Vielleicht hilft es zusätzlich, sich hier im Forum mit Leidensgenossen auszutauschen und Erfahrungen, Tipps und Ratschläge zu teilen. Mein Waschzwang betrifft ausschließlich das Hände waschen. Duschen, Baden etc. tue ich ganz "normal". Beim Hände waschen bin ich sehr, sehr gründlich und investiere dafür viel Zeit. Ich kann nichts mit den Händen essen, ohne mir vorher gründlich die Hände zu waschen und bin bei der normalen Küchenhygiene (rohes Fleisch anfassen etc.) sehr pingelig, was auch mein Umfeld (Freundin) zu spüren bekommt.

Der Hintergrund ist klar: Ich habe Angst vor dem Krankwerden (Erkältung, Grippe, Magen-Darm) und das Hände waschen schützt mich. Diese Angst verstärkt sich deutlich vor wichtigen "Events", wie z.B. Urlaube, wichtige berufliche Termine..., da ich Angst habe durch Krankheit auszufallen (Beruf) oder mir ein schöner Moment (Urlaub, Freunde besuchen etc.) entgeht. Ich bin dadurch fast permanent angespannt, sogar im Urlaub. Denn wer will schon während des Urlaubs, möglicherweise in einem fremden Land krank werden. Auch habe ich Angst während ich unterwegs bin, auf einmal krank zu werden, Magenschmerzen oder sogar Durchfall zu bekommen. Die Angst krank zu werden ist jedoch teilweise unbegründet. Denn im Vergleich zu anderen bin ich nicht überdurchschnittlich oft krank. Ich habe aber ab und zu Ärger mit dem Magen (vielleicht auch psychisch bedingt).

Mein Psychologe sagt mir, ich muss mir antrainieren auch mal ohne mir die Hände vorher zu waschen ein Brot, einen Apfel o. ä. zu essen und die Anspannung danach "auszuhalten". Er sagt, es sei sowieso nicht wissenschaftlich bewiesen, dass häufiges Hände waschen vor Infektionen hilft... Ich habe bisher zwar keine wissenschaftliche Studie gefunden, die das Gegenteil beweist, aber jeder Arzt würde einem doch sagen, dass Hände waschen vor Ansteckungen mit Grippe- oder Magen-Darm-Vieren schützt, oder!? Daher fällt es mir so schwer, das Hände waschen auch mal zu lassen. Auf der anderen Seite sehe ich meine Freundin, Familienmitglieder oder Freunde, die sich viel weniger die Hände waschen als ich und trotzdem nicht häufiger krank sind... Die lebende wissenschaftliche Studie sozusagen.

So, das war jetzt genug Text von mir. Was ist mit euch? Gibt es jemanden, den es ähnlich geht/ ging? Hat vielleicht jemand die Ängste und Zwänge schon besiegt?

Liebe Grüße
Christoph
Dennis_1985

Re: (Hände-)Waschzwang

Beitrag von Dennis_1985 »

Lieber Christoph,

herzlichen Dank für die ausführliche Darstellung deines Waschzwangs.

Ja, die Hände zu waschen, das kann durchaus schützen. Und es ist auch sinnvoll. Wahrscheinlich würden das auch nur die Wenigsten in Zweifel ziehen.

Viel eher kommt es wohl auf das Maß an, das wir als Zwangserkrankte oftmals verloren haben.

Ich habe mir vor ein paar Jahren noch 150, 160 Mal am Tag die Hände gewaschen. Heute sind es so ungefähr 30 oder 40 Mal. Das ist auch noch zu viel, würde sicherlich mein Therapeut sagen - und tatsächlich kann man sich fragen, wie viel Händewaschen wirklich nützlich ist.

Ich habe erst vor kurzem die Faustregel gehört, dass 30 Sekunden Händewaschen vollkommen ausreicht, um alle Bakterien, Viren, Schmutz und alles Andere, wovor wir uns fürchten, zu beseitigen. Und dieses intensive Desinfizieren dürfte dann auch für eine gewisse Zeit anhalten. Denn unser Körper besitzt ja schließlich auch eine Immunabwehr, die dankbar ist, wenn sie etwas zu tun hat.

Zu pingelig zu sein, das schadet meines Erachtens sogar eher. Nicht nur, dass es der Haut nicht sonderlich guttut, wenn sie dauernd neu mit Wasser und Seife angegriffen wird. Unser Körper braucht auch die Möglichkeit, sich gegen "Eindringlinge" von außen schützen zu können, das bedeutet, ein gewisses Maß an "Schmutz" hilft ihm, auf Trab zu bleiben und seine Funktion als Wächter über unsere Gesundheit nicht zu verlernen.

Doch mit Logik kommt man bei einem Zwang nicht unbedingt weiter. Deshalb ist das Herangehen deines Therapeuten schon richtig. Durch kognitives Training einerseits, durch Exposition andererseits habe auch ich meine Waschzwänge reduzieren können. Gleichzeitig half mir aber auch die Frage, warum ausgerechnet ich so übermäßig empfindlich reagiere, wenn es um Sauberkeit und Desinfektion geht. Manchmal steckt hinter dem Zwang auch eine Funktion, die es herauszuarbeiten gilt. All das war Inhalt meiner Psychotherapie.

Und auch, wenn ich noch nicht da bin, wo ich vielleicht sein möchte, ist der Sprung, den ich gemacht habe, für mich doch ein großer Gewinn. Soll heißen: Ich traue dir auch zu, dass du das schaffen kannst. Üben ist die eine Sache, sich mit dem Zwang und seiner Argumentation zu beschäftigen, das ist die andere Aufgabe, für die ich wirklich einige Zeit gebraucht habe. Insofern ist es sicherlich leicht zu sagen, dass es Geduld bedarf - die hat man meistens nicht, wenn man von einem Zwang geplagt wird, ich weiß. Aber ich denke, es gibt ausreichend Erfolgsgeschichten, die dir Mut machen sollen: Mit ein wenig Anstrengung und Durchhaltevermögen kannst du es packen, dass dein Waschzwang zumindest weniger wird.

Herzliche Grüße
Dennis
Miranda_L

Re: (Hände-)Waschzwang

Beitrag von Miranda_L »

Ich habe einen Trick, der mir manchmal hilft:

Ich denke mir folgendes:
Ich bin in Behandlung.
Das bedeutet, dass ich ein Ziel habe.
Das Ziel ist, so zu leben wie die anderen und sich die Hände zu waschen wie die anderen.
Angenommen ich hätte das Ziel jetzt erreicht.
Was wäre anders?
Wären weniger Bazillen da?
Nein
Wären weniger Viren da?
Nein
Wären weniger Gifte in der Umgebung?
Nein.
Was hindert mich also daran, jetzt zu zu tun als hätte ich es schon geschafft?
Ich wäre danach ja nicht mehr oder weniger verseucht nur weil ich jetzt den Zwang habe.
Dann stelle ich mir vor, ich wäre schon am Ziel und tue dann alle Dinge so, wie sie am Ziel für mich normal wären.

... Mir hilft das hin und wieder für ein paar Stunden.
Sunshine
Beiträge: 39
Registriert: Di 9. Apr 2019, 13:40

Re: (Hände-)Waschzwang

Beitrag von Sunshine »

Hallo,

Es ist zwar ein Jahr her dass hier geschrieben wurde, aber vlt kann einer von euch mal berichten wie es dem/derjenige nun ergeht und wie es nun mit dem Waschzwang ist?

Was hat sich seit dem verändert? :)

Wäre interessant.
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