Zwänge im Urlaub

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Yorge
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Registriert: Fr 1. Jun 2018, 23:36

Zwänge im Urlaub

Beitrag von Yorge »

Mir ist jetzt beim Lesen über mehr oder weniger Zwänge im Urlaub eingefallen, dass ich meine ersten Zwänge im Urlaub hatte. Damals waren sie mir nicht als solche bewusst, aber jetzt sind es die ersten, an die ich mich noch erinnere.

An zwei kann ich mich noch gut erinnern - ich war beides mal noch im späteren Teenager-Alter und mit meinen Eltern unterwegs.

Wir sahen uns dort im Kino den Film Zwielicht (mit Richard Gere und Edward Norton) an. Danach hatte ich Sorge ein guter Schulfreund hätte sich daheim suizidieren können. Das gab mir keine Ruhe, bis ich ihn vom Urlaub aus anrief - ich sagte ihm nicht, warum ich ihn anrufe, sondern redete mit ihm Belangloses. Ich musste mich überzeugen, dass er noch lebt.

In einem anderen Urlaub, waren wir viel mit dem Auto unterwegs und machten auch Wanderungen. Ich warf einen etwas größeren Stein in einer Gegend, wo kaum Leute waren, einen steileren Hang hinunter. Der Stein rollte etwas weiter als ich erwartet hatte und über eine Kante, wohin ich nicht mehr sehen konnte. Ich versuchte dort hinzukommen, aber ich machte keinen Weg aus der dort hinführen würde. Naja, da wird dann auch sonst keiner gewesen sein, den der Stein hätte treffen können, dachte ich zuerst. Wir gingen weiter und fuhren weiter und da saß ich lange im Auto und hatte viel Ziet zum Nachdenken ".. was, wenn da doch ein Weg hinführt und ich habe jemanden aus Versehen getroffen.." - Ich hatte aber keine Möglichkeit zurückzuschauen und meinen Eltern wollte ich das auch nicht sagen. Selbst zuhause ließ es mir keine Ruh und ich checkte lange Zeit eine regionale Zeitung von dort um zu schauen, ob niemand verunglückt gefunden wurde. Ich rief auch in einer Hütte die es dort zum Übernachten gab an um nachzufragen, ob niemand als vermisst gemeldet wurde.. aber all das hielt immer nur eine gewisse Zeit an, bis wieder Zweifel aufkamen. Die absolute Sicherheit, dass ich mich nicht schuldig gemacht habe, hielt einfach nicht an. Das beschäftigte mich einige Monate, vielleicht sogar Jahre, ich kann es nicht mehr sagen. Mittlerweile habe ich es vergessen (zumindest fast, sonst könnte ich es nicht mehr erzählen). Ich kann aber noch immer nicht mit absoluter Gewissheit sagen, dass da nichts passiert ist. Aber mit dieser Ungewissheit kann ich jetzt ganz gut leben und werde irgendwann mal damit sterben. (Jetzt wo ich so darüber nachdenke, kommt mein Hirn tatsächlich auf die Idee irgendwann mal wieder dahin zu reisen und nachzuschauen, obwohl ich wsl. die Stelle gar nicht wieder finden würde. Das kommt mir schon so vor als wäre das ein Verlangen/eine Sucht danach, diese Erleichterung "ach gut, es nichts passiert, du bist nicht schuldig" zu empfinden)

Jetzt habe ich das im Urlaub nicht mehr, dass die Zwänge mehr sind. Aber ich kenne das schon, dass mich Freizeit herausfordern kann. Anstatt mich mit Zwängeln zu beschäftigen, lese und schreibe ich lieber über Zwänge - auch eine Art "Über-Ich", also eigentlich "Über-Mich".
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
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michael_m
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Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Zwänge im Urlaub

Beitrag von michael_m »

Hallo Yorge,

das sind interessante Erzählungen. Schön, dass du immerhin deinen Abstand zu letzterem Vorfall gefunden hast.

Ich selber habe leider auch im Urlaub Zwänge. Gerade im Urlaub flammt bei mir die Angst hoch, Sachen zu verlieren. Allen voran der Geldbeutel oder z. B. die Kamera. Naja, und mein Klassiker - der Wasserhahn - begleitet mich auch überall hin. ;) Im Hotel lässt mir abends auch die Zimmertür keine Ruhe.

Vielleicht gibt es ja irgendwann ein Hotel, wo man an der Rezeption seinen Zwang abgeben kann. ;)

Viele Grüße, Michael
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