Offenheit im Umgang mit Waschzwang

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Ahdrelys
Beiträge: 5
Registriert: Sa 1. Jan 2022, 15:26

Offenheit im Umgang mit Waschzwang

Beitrag von Ahdrelys »

Hallo zusammen,

Ich leide seit einigen Jahren an Waschzwang und mein jetziger Partner scheint völlig überfordert. Er versteht mich nicht, egal wie sehr ich versuche es ihm zu erklären. Ständiger Streit, sich beschwerende Nachbarn und abgesagte Treffen mit Freunden sind die Folge - so auch gestern. Wir hatten Streit, weil ich kurz anmerkte, dass ich lieber zu Hause bliebe als raus zu gehen, weil ich keine Kraft für die Nacharbeit habe (Wohnung putzen wegen der Katzen, duschen…). Er hat sehr empfindlich reagiert, mir gedroht meinen Zwang dem Freundeskreis mitzuteilen und mich sehr unter Druck gesetzt. Nun sind wir natürlich beide nicht zum
Treffen und der Freundeskreis denkt sich seinen Teil. Er hat bestimmt mich als Problem genannt (hat er vor den Nachbarn auch schon). Und alle haben ihn gestern trösten wollen.

Nun meine Frage: Wie offen geht ihr mit euren Zwängen um? Weiß euer Freundeskreis oder der des Partners davon? Einerseits denke ich mir, ich habe gestern nicht abgesagt wegen meines Zwanges, sondern weil er so verletzend war. Daher habe ich akut nun keinen Grund es zu kommunizieren. Ich will ihm aber auch die Möglichkeit der Erpressung nehmen. Ich hoffe, das war verständlich.

LG und noch ein frohes neues Jahr!
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Yoli
Beiträge: 85
Registriert: Mi 22. Sep 2021, 12:07

Re: Offenheit im Umgang mit Waschzwang

Beitrag von Yoli »

Hallo,

ich glaube, es ist für Partner immer sehr schwer den Zwang nachzuvollziehen, egal welcher Art. Vor allem wenn du mit ihm zusammenwohnst, sieht er dein Leiden ja jeden Tag und kann nicht helfen. Meinem Freund fällt das sehr schwer und das ist belastend für uns beide.
In meinem engsten Freundeskreis gehe ich sehr offen mit dem Zwang um. Gleichzeitig will ich den Zwang nicht vorschieben und wenn jemand darum weiß, fällt es mir leichter auch mal abzusagen.
Ich glaube, es ist hilfreich, wenn du enge Freunde ins Vertrauen ziehst. Der Zwang lebt ja davon, dass wir uns ihm unterordnen und eigentlich isoliert er auch nur und führt uns immer weiter von dem Leben weg, das wir leben wollen. Offenheit im Umgang damit ist also eine Waffe, die wir selbst in der Hand haben, ohne uns dahinter zu verstecken. Ansonsten hoffe ich, dass du Unterstützung hast.
Alles Gute und ein frohes neues Jahr!
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André
Beiträge: 29
Registriert: Fr 15. Mai 2020, 21:21
Wohnort: Elmshorn

Re: Offenheit im Umgang mit Waschzwang

Beitrag von André »

Sehr geehrte Frau Ahdrelys,

ich habe meine Krankheit (Wasch-, Kontroll-, Ordnungs-, Gedanken-, Zähl- und Wiederholungszwang sowie „Zwangsdepression“ und Depression) nie verheimlicht. Ich bin sehr offensive damit umgegangen, liegt vielleicht an meiner Familie, weil sie im 17. Jahrhundert in Frankreich verfolgt wurde (Hugenotten). Ich habe nie Freunde gehabt und werde wohl auch keine Familie mehr gründen können, liegt aber an etwas anderem. Bei meiner Arbeitsstelle wussten es alle Mitarbeiter sowie manche Bewohner, dadurch habe ich von allen Seiten immer Verständnis gehabt. Durfte an manchen Tagen weniger Stunden arbeiten, an manch anderen Tagen arbeitete ich extrem lange (18 Stunden), weil ich es so gebraucht habe. Meine Chefs wussten, dass auf meine Arbeit verlass war und ich konnte walten, wie ich wollte. Ich war sogar für die Bewohner mitverantwortlich, obwohl es eigentlich als Bürokaufmann nicht üblich ist. Ich war immer ihr Ansprechpartner für all ihre Probleme und half dabei so lange, bis es eine Lösung gab, dadurch war ich bei ihnen sehr beliebt, ich wurde zwar immer von ihrem Rat gewählt als beliebtester Mitarbeiter in dieser Seniorenresidenz, ich habe aber nur einmal angenommen, weil auch meine ausgesuchte Kraft, die mich vertreten soll, mit gewählt wurde. Sie haben gemerkt durch meine Erkrankung, dass ich sehr viel Mitgefühl für die Sorgen der Bewohner habe und deswegen haben sie alles Mögliche für mich getan, damit ich am Ball bleibe. Aber das Verhängnis war, dass ich mich verliebt habe in einer Kollegin, dadurch brach ich zusammen. Ich hatte dreimal versucht, wieder anzufangen, aber es klappte nicht mehr. Sie wollten diese Kollegin entlassen, dabei spielte ich nicht mit, ich sagte zu meiner Heimleiterin, entweder schaffe ich es zurückzukehren oder nicht, aber es darf kein anderer darunter leiden. So ist es dabei geblieben, ich bin nie entlassen wurden, kann anfangen, wann ich will und bin ein gern gesehener Gast und dies verdanke ich meiner Ehrlichkeit. Die Kollegin hat jetzt meinen Job und ich bin glücklich für sie und wir verstehen uns. Sie fühlt sich zwar immer noch ein bisschen schuldig und als meine Mutter starb, wollte sie mich umarmen und trösten, darauf musste ich sie aber von mir weisen, aber sie hat mir gleich verziehen. Es ist vielleicht ein schlechtes Beispiel, weil es eine Seniorenresidenz ist und eventuell hat man in solchen Betrieben ein besseres Verständnis für solche Erkrankungen. Aber auch bei den vorausgegangenen Betrieben hatte ich die Wahrheit über meine Erkrankung gesagt und wurde immer akzeptiert sogar von LKW-Fahrer, die ja allgemein als harte Männer dargestellt werden, was überhaupt nicht stimmt. Meine Nachbarn wissen auch über meine Krankheit Bescheid, damit ich ruhigen Gewissens auch ausnahmsweise den Wasserhahn längere Zeit laufen lassen kann, egal zu welcher Uhrzeit. Auch wissen sie, dass ich ihnen die Tür nicht aufhalten lassen kann wegen meiner Krankheit und nicht, weil ich unsympathisch bin. Sie halten mir trotzdem selbstverständlich die Tür auf und unterhalten sich lange mit mir bzw. ich bekomme auch immer die Tageszeitung umsonst, daran kann ich erkennen, dass sie mich irgendwie mögen und wegen Corona nehmen sie komplett Rücksicht auf mich.
Sonnenblume
Beiträge: 3
Registriert: Di 1. Feb 2022, 10:59

Re: Offenheit im Umgang mit Waschzwang

Beitrag von Sonnenblume »

Hallo,

Ich bin neu hier...
Deine Worte berühren mich aber sehr, weil es bei mir genauso ist. Deine Erzählung könnte aus meinem Leben stammen.
Ich bin etwas beruhigt, dass es anderen Betroffenen auch so geht.
Ich hoffe du findest auch einen Weg aus der Krise. Ich bin auch noch auf dem Weg, leider erst am Anfang.

Liebe Grüße
lovelyrose
Beiträge: 4
Registriert: Mo 10. Jan 2022, 10:54

Re: Offenheit im Umgang mit Waschzwang

Beitrag von lovelyrose »

Hallo ihr Lieben,

ich leide schon seit ein paar Jahren an Zwängen. Mittlerweile wissen es meine Familie, meine Freunde und natürlich mein Freund. Teilweise habe ich mich auch vor meinen engsten Verwandten geöffnet. Es tut tatsächlich gut darüber zu reden und du machst damit einen großen Schritt, da du anfängst zu dir und deiner Krankheit zu stehen. Dir wird dadurch bewusster, dass du eine Krankheit hast und hast kannst sie somit nicht mehr verstecken. Meine Mitmenschen sind total verständnisvoll und versuchen mir so weit es geht zu helfen. Es ist besser ihnen diese Seite deines Lebens zu zeigen, als diese zu verheimlichen.

Liebe Grüße
Rose
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