Konfrontation - Wie steht ihr dazu / Tipps?

welltemperedmind
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Registriert: Di 2. Feb 2021, 11:37

Re: Konfrontation - Wie steht ihr dazu / Tipps?

Beitrag von welltemperedmind »

Ich stimme michael_m zu. Es ist ein bekanntes Phänomen, dass einem der Therapeut Sicherheit gibt und daher die Expositionen leichter gelingen. Eigentlich sollte ein guter Therapeut das feststellen und dich vor allem immer gegenüber der Ungewissheit und Unsicherheit exponieren.

Dazu will ich noch ergänzen: Bei den Expositionen geht es vor allem auch darum, in diesen Bereich der sinkenden Angst / Anspannung zu gelangen. I.d.R. sind dafür 5 Minuten nicht genug. Wenn man dann die Exposition abbricht solange die Anspannung noch ansteigt, macht der Organismus das Gegenteil einer lehrreichen Erfahrung - er lernt, dass man es nicht aushält, die Anspannung zu ertragen ohne zu vermeiden (abzubrechen) oder Zwangshandlungen auszuführen.

Ich glaube dir, dass du die Angst als unerträglich ansiehst. Es könnte daher Sinn machen, erst diejenigen Expositionen zu machen, die du wirklich bewältigen kannst und bei denen du in den Bereich der absinkenden Anspannung übergehen kannst. Das ist genau das, was man auch in der Therapie macht bzw. machen sollte.

Eine weitere Möglichkeit, die mir auch sehr geholfen hat, ist sich für die Zeit nach den Expositionen etwas Konkretes vorzunehmen, sodass man nämlich nicht ängstlich zu Hause rumsitzt (z.B.: Sport machen, telefonieren, arbeiten). Irgendetwas, wo man es gut schaffen kann, die Aufmerksamkeit nicht mehr auf die Angst zu richten (sie aber gleichzeitig nicht unterdrücken).

Bzgl. deiner Angst vor Exposition (man spricht auch von Erwartungsangst bzw. "Anticipatory Anxiety"). Das ist noch etwas anderes als die reine Angst vor der Angst. Ich litt selbst sehr stark darunter. Daher folgende Tipps, die mir sehr geholfen haben:

1. Erwartungsangst ist meistens ein sehr schlechter Indikator, die tatsächliche Angst in der Situation vorherzusagen. Widme dich trotz deiner Erwartungsangst deinen Expositionen. Vermutlich wirst du die Erfahrung machen, dass dir die Expositionen leichter fallen als dir deine Erwartungsangst weismachen will.
2. Nimm deine Erwartungsangst zur Kenntnis, aber kämpfe nicht gegen sie und interagiere nicht mit ihr. Übe dich darin zu akzeptieren, dass sie da ist, aber sie meistens ein sehr schlechter Indikator für deine tatsächliche Angst in der jeweiligen Situation ist. Sie kann daher akzeptiert, aber ignoriert werden.
3. Konzentriere dich auf Dinge im Hier und Jetzt. Wenn du die Erwartungsangst akzeptierst, aber ignorierst, wird sie über kurz oder lang im Hintergrund verschwinden.

Die drei Punkte orientieren sich an dem Buch "What Every Therapist Needs to Know About Anxiety Disorders: Key Concepts, Insights, and Interventions".
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SHG
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Vermeiden, Konfrontieren - Entscheiden

Beitrag von SHG »

Es sollte die Möglichkeit geboten werden sich auch (in Begleitung und zunehmend selbständig, wenn man das will) mit dem zu konfrontieren, was aufgrund von Ängsten, Gewohnheiten nicht geht. Aber auch weiterhin zu vermeiden ist eine Möglichkeit und auch hierbei kann es Unterstützung geben, wie das angenehmer, auch offener, gelebt werden kann. Es geht nicht darum den Betroffenen dazu zu bringen und dann womöglich schon fast zu zwingen zur Exposition - da wird ein Zwangserkrankter vielleicht gleich mal mitmachen - sich von anderen (Übermächtigen) zu was bringen zu lassen. Es sollte aber eher darum gehen, zu lernen eine eigene Entscheidung zu treffen, Möglichkeiten zu haben und diese auch entschieden wahrzunehmen und, wenn es alleine nicht geht, entsprechende Hilfe in Anspruch zu nehmen, sich aber auch gut annehmen zu können, wenn einem etwas noch nicht gelingt.
Sanftes Ermutigen (Sanftmut) schadet dabei nicht.

Mich würde interessieren, wie andere zu dieser doch eher ungewöhnlich Haltung - bedingungslos auch beim Nicht-Konfrontieren Annehmen - stehen.
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michael_m
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Re: Konfrontation - Wie steht ihr dazu / Tipps?

Beitrag von michael_m »

Finde die Haltung interessant. Und kann der auch was abgewinnen. Ist auch was mir fehlt, generell ein lockerer Umgang. Auch mal akzeptieren, wenn eine Expo nicht klappt. Oder vielleicht in bestimmten Situationen sich einen Zwang, ohne schlechtes Gewissen danach, zu erlauben.
Schwierig wirds nur, wenn man sich dann allen Zwängen hingibt.
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