Bin neu hier und freue mich über diese Gelegenheit zum Austausch.
Ich bin schon sehr lange mit meinem Mann zusammen, wir haben ein Kind im Teenageralter.
Er hatte schon immer einen gewissen „Spleen“ mit Hygiene, was meiner Meinung nach vertretbar war und den man salopp gesagt als „Hang zur Sauberkeit“ umschreiben könnte. Zumindest war ein normaler Alltag möglich und auch ich konnte mich gut arrangieren. Nach einer langen stabilen Phase (ca. 18 Jahre) setzte eine recht plötzliche Verschlechterung ein. Wir haben schon darüber gesprochen, einen konkreten Auslöser können wir nicht ausmachen, vielleicht ist es eher eine Aneinanderreihung verschiedener Umstände.
Dinge, die andere Menschen angefasst haben, müssen sofort gereinigt werden, die Wohnung wird fast täglich geputzt, die Waschmaschine läuft fast rund um die Uhr und dergleichen.
Er weiß, dass es eine Zwangsstörung ist, hat eine Therapie angefangen, glaubt aber nicht so recht an den Erfolg. Generell ist er sehr skeptisch gegenüber Therapeuten und Ärzten.
Kann er den Zwang nicht „beruhigen“, resultiert daraus häufig eine depressive Episode.
Nun zu meiner Situation /Fragen:
1. Ich versuche meinen Umhang zu finden, mich nicht in die Handlungen hineinziehen zu lassen, was sich schwierig gestaltet, da fast wöchentlich neue „Regeln“ hinzukommen, die ich erstmal nicht kenne und somit zwangsläufig „verletze“. Daraus resultiert Konflikt = depressive Episode. Manchmal habe ich dafür nicht die Kraft und mache „mit“, obwohl ich es nicht nachvollziehen kann. Zumal diese Geschichten auch zeitlich viel Raum einnehmen, insbesondere wenn es zum Konflikt kommt, den ich nicht immer habe. Daher ist immer wieder eine Abwägung, ob ich gerade Kraft und Zeit habe, mich da entgegenzustellen. Ganz schwierig sind für mich „übergriffige“ Situationen. Er putzt/wäscht auch einfach meine Sachen (ich meine nicht Klamotten), ungeachtet dessen, ob sie dafür überhaupt geeignet sind (z.B. Elektronik). Manches musste ich in letzter Minute retten, bevor ein größerer Schaden entsteht.
2. Vor einigen Jahren hatte ich selbst eine Phase mit Burnout, die ich ganz gut überwinden konnte. War daher auch stolz auf mich, jetzt meinen Weg gefunden zu haben. Seitdem der Zwang bei ihm so stark geworden und der Alltag dadurch immer mehr zur Herausforderung wird, merke ich, wie Symptome von „damals“ zurückkommen (Antriebslosigkeit, Migräne..). Ich halte mich an den Dingen fest, die mir eine Auszeit ermöglichen, wie eigene Hobbies /Sport, weil mir das hilft. Aber diese sorgen auch gerne für Streit, da er mir manchmal vorwirft, ich kümmere mich nicht genug um ihn. Für mich wird es immer mehr zum Spagat, meine eigene mentale Gesundheit aufrecht zu erhalten. Ich bin auf der Suche nach einem Therapeuten, dass dauert aber gerade noch.
3. Hat jemand konkret Erfahrungen, wenn Zwangsstörungen mit Depressionen einhergehen? Ich finde es absolut herausfordernd, die extreme emotionale Achterbahnfahrt mitzubekommen. Ich weiß, es ist eigentlich nicht richtig, aber ich halte mit manchem hinter dem Berg, was in mir vorgeht, um ihn nicht noch mehr zu belasten. Bzw. Ich spreche es in „Häppchen“ an. Zusehends habe ich über meine Emotionen weniger Kontrolle: Wenn ich den Staubsauger manchmal schon höre, stellen sich mir die Nackenhaare auf, weil die selben Stellen gerade zum xten Mal sauber gemacht werden. Manchmal kommt bei mir ein irrationales Wutgefühl auf und mir rutscht eine Bemerkung raus. Meistens gehe ich dann schnell aus dem Zimmer. Manchmal schaukelt sich die Situation dann so richtig hoch.
4. Das letzte, bevor es zu lang wird: Unser Kind bekommt es mit und ist natürlich in einem Alter, wo genau hinterfragt wird. Mein Mann findet zusehends „eklig“, was unser Kind angefasst hat, oder wo es gesessen hat etc. (Wobei er nicht so große Probleme mit Dingen hat, die ich angefasst o.ä. habe, ich denke, es hat mit der Pubertät zu tun.)
Ich spreche mit unserem Kind darüber, wir haben gutes und vertrauensvolles Verhältnis. Ich versuche immer wieder mal, Situationen aufzuarbeiten.
Trotzdem mache ich mir zusehends Sorgen, dass das auch an der kindlichen Entwicklung nicht spurlos vorbeigeht. Hat jemand Tipps/Erfahren für „angehörige Teenager/ bald Erwachsene“?
Ich denke auch darüber nach, wie lange das insgesamt noch gutgeht, bin aber zu einem größeren Schritt noch nicht bereit, frage mich aber, ob uns eine Pause gut tun würde.
Vielen Dank für‘s Lesen bis hierhin.
