GdB30 Klagen?

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Anka
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GdB30 Klagen?

Beitrag von Anka »

Hallo in die Gruppe,
Ich wollte gerne einmal horchen, ob hier jemand Erfahrungen mit einklagen eines höheren GdB's als 30 hat?
Ich habe aufgrund von massiven zwängen (hauptsächlich waschzwänge, Ängste bzgl. Kontamination etc.) Einen Antrag auf einen GdB gestellt. Dieser Schritt ist mir nicht leicht gefallen und ich hatte sehr lange gezögert...nachdem nun aber leider meine verhaltenstherapie Anfang des Jahres ausgelaufen ist, da die Stunden aufgebraucht waren, sind Ängste und somit auch Zwänge wieder schlimmer geworden und ich habe mich zu dem Antrag durchgerungen. Vor allem hatte ich die Hoffnung, durch einen GdB die 5 Tage mehr Urlaub zu bekommen. Ich arbeite Vollzeit im sozialen(jugendhilfe)Bereich, die Arbeit macht mir Spaß und ich möchte sie auch weiter machen! Nur merke ich immer deutlicher, das ich unter der Woche neben der Arbeit und den zwängen zu nix komme (wohnung aufräumen,putzen, einkauf,....alles sehr stark zwangs-angst-ekelbesetzt und somit meeeega anstrengend und energieraubend. Um dafür mehr Kapazitäten zu haben oder auch einfach malmzeit für regeneration (sehr sehr rar bei mir)erhoffte ich mir halt diese 5 Tage...Nun habe ich aber im ersten Anlauf pauschal " nur" den GdB 30 bekommen. Ein Wiederspruch inkl. Eines ausführlichen Berichts meiner ehemaligen Therapeutin mit der Bestätigung der Notwendigkeit haben leider nichts gebracht und ich habe vorgestern die Absage des wiederspruchs erhalten. Dies war für mich schon echt " ein Schlag vorn bug" und seitdem bin ich echt fertig, noch mehr erschöpft und drifte grad zusätzlich dadurch in eine depristimmung (ist so typisch, wenn ich MAL versuche etwas für MICH zu bekommen, für MICH einzustehen, wird es abgelehnt zack,watsch...aua) nun bin ich am überlegen und abwägen, ob eine Klage Erfolg haben könnte und was ich dafür (noch mehr)bräuchte...hat da jemand erfahrung? Ach ja, ich komme aus Niedersachsen...Ich habe gehört, das sei ggf. Ausschlaggebend, da das niedersächsische versorgungsamt wohl deutlich sparsamer und kritischer mit diesen Anträgen umgeht als andere Bundesländer....? Gibt's Erfahrungswerte hier?
Ich danke für die zeit des durchlesens und des Interesses, wünsche allen ein möglichst zwangsarmes wochenende und einen schönen start in den Frühling, Gruß Anka
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michael_m
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Re: GdB30 Klagen?

Beitrag von michael_m »

Hallo Anka,

Niedersachsen ist glaub ich da leider keine Ausnahme. Aber ja, gibt wohl auch Unterschiede von Versorgungsamt zu Versorgungsamt oder gar von Sachbearbeiter zu Sachbearbeiter. Ich bin übrigens in Bayern.

Den GdB 30 habe ich damals auch noch problemlos bekommen. Ein Verschlimmerungsantrag wurde später nur mit GdB 40 beschieden. Habe dazu immerhin über die Arbeitsagentur eine Gleichstellung für meinen Arbeitsplatz bekommen.
Gegen den 40er Bescheid bin ich mithilfe der Gewerkschaft / des DGB bis zum Sozialgericht gegangen. Die Begutachtung im Gerichtsgebäude vor der Verhandlung war allerdings sehr enttäuschend. Der Arzt hat sich hauptsächlich auf das Körperliche gestürzt, wofür ich gar nicht dort war... Der psychische Zustand wurde mit 2 Sätzen im 5-seitigen Gutachten beschrieben. Dafür stand ich zum Schluss nur noch in Unterhose im Zimmer... :roll:

Bei der Beurteilung steht dann auch: "Der Kläger ist nach Angabe auch in der Lage, seinen Beruf zumindest zeitweilig auszuüben, was gegen eine schwere Zwangskrankheit spricht." (Habe zu dem Zeitpunkt schon aus gesundheitlichen Gründen auf Teilzeit gewechselt.)

Mein Rechtsbeistand hat mir einen Widerruft meiner Klage empfohlen. Das Anfechten des Gutachtens wäre zu aufwendig, ich solle lieber in einem halben Jahr erneut einen Verschlimmerungsantrag stellen...

Als ich jetzt wegen der THS zum Einstellen in der Psychiatrie stationär war, habe ich mit der Sozialtherapeutin in der Klinik einen erneuten Verschlimmerungsantrag gestellt. Da kam vorletzte Woche der Bescheid: es wurde wieder nur der GdB 40 bescheinigt. Es wurden auch von ambulanten Ärzten Unterlagen angefordert, von den Kliniken (Psychosomatik sowie Psychiatrie) wurde nichts angefordert.
Bin jetzt mit dem VdK in Kontakt, ob sich ein Widerspruch gegen den Bescheid lohnt...

Generell ist wichtig zu wissen, dass das Arbeitsleben kaum in den GdB einfließt. Es geht vor allem dort um die Einschränkungen in der sozialen Teilhabe.
Mein Psychiater war auch immer sehr erstaunt, dass ich keinen GdB 50 bekomme. Aber... der kennt auch hauptsächlich meine Arbeitswelt. Weil ich bei ihm mir ggf. mal eine AU hol etc. Wie es um Partnerschaft, Freundschaften etc. steht... das weiß er meiner Meinung gar nicht... Hat er aber auch nie nachgefragt. Vielleicht bei der Anamnese bei unserem allerersten Kontakt vor vielen Jahren.

Viele Grüße, Michael
TeeCoffee
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Re: GdB30 Klagen?

Beitrag von TeeCoffee »

Hallo Michael,

mich würde mal interessieren, wie schwer die Zwänge sein muessen, dass man THS und GdB erwägt. Damit meine ich nicht, was zugelassen oder genehmigt wird, sondern welche Aspekte des Zwangs einen Betroffenen dazu bewegen, so etwas zu wünschen. Falls Du das nicht erzählen möchtest, ist das natürlich auch klar. Ich würds mal gerne wissen. Ich kann selbst total verstehen und weiss, die qäulend und vernichtend Zwänge sein können, aber Elektroden ins Gehirn ist natürlich schon ein Riesenschritt. Das ist keinerlei Kritik, einfach nur Interesse.
Gruss
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michael_m
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Re: GdB30 Klagen?

Beitrag von michael_m »

Hallo TeeCoffee,

letztendlich ist es eine persönliche Entscheidung, ob man diesen Schritt gehen will. Man müsste hier im Forum auch Beiträge von mir finden, wo ich bzgl. THS generell skeptisch war. Ich sehe sie auch heute nach wie vor nicht als Allheilmittel und sie bleibt ganz klar eine Lösung 2. Wahl.

Was mich dazu gebracht hat, war die Aussicht auf eine mögliche Besserung. Und dass ich schon sehr viele Jahre dem Zwang "geopfert" habe. Durch die vielen Behandlungen konnte ich auch viel lernen, allerdings ist mir nie wirklich die Umsetzung des Gelernten gelungen.

Ich habe die THS dann als Chance gesehen. Auch finde ich den Eingriff gar nicht mehr so dramatisch. Es ist und bleibt eine Hirn-OP, aber für eine Hirn-OP ist es ein relativ kleiner Eingriff. Auch hatte ich zum Neurochirurgen ein sehr gutes Verhältnis, ich hatte da vollstes Vertrauen in ihn.

Dazu kommt, dass ich sehr unter den Nebenwirkungen der Antidepressiva leide. Ohne diese bekomm ich aber nach einigen Monaten starke Magenschmerzen und Appetitverlust, konnte dann gar nichts mehr wirklich essen, weil mir sofort bei fast allem übel wurde. Habe mich dann mit Knäckebrot, Zwieback etc. über Wasser gehalten. Beim Zähneputzen hatte ich mich dann auch öfters übergeben müssen. Das hatte ich jetzt leider schon bei zwei Absetzversuchen (in Abstimmung mit dem Psychiater).
Die THS hat da in meinen Augen noch den Vorteil, dass sie gezielter wirken kann als die Tabletten.

Der Eingriff war zudem nicht billig. Die Krankenkasse hat da für die beiden stationären Aufenthalte insgesamt über 63.000 € gezahlt. Da bin ich ihr sehr dankbar, denn... es ist keine Regelleistung mehr, da es derzeit keine gültige Zulassung der Elektroden mehr für die Zwangsstörung gibt. Die Zulassung wurde vom Hersteller Medtronic für das Krankheitsbild nicht verlängert. Vermutlich, weil sich die Zulassungskosten bei den relativ wenigen Eingriffen bei Zwangsstörung nicht rechnen.

Ich habe aber ehrlich gesagt bis heute nicht umrissen, dass ich die OP schon hinter mir habe. Ist nach wie vor teilweise ungreifbar für mich, was da im Kopf gemacht wurde. Es ist gruselig und faszinierend zugleich. Faszinierend vor allem auch deswegen, weil ich eh technikbegeistert bin. ;)
Auch wenn ich die Stimulationsstärke umschalte merke ich oft einige Sekunden bis wenige Minuten was (ist leider schwer zu beschreiben). Das ist auch gruselig und faszinierend. Auch teilweise aber unangenehm - aber es vergeht zum Glück schnell.
TeeCoffee
Beiträge: 89
Registriert: Di 12. Jul 2022, 01:56

Re: GdB30 Klagen?

Beitrag von TeeCoffee »

Danke für die Antwort, das ist sehr interessant. Hattest Du denn auch starke Alltagseinschränkungen durch die Zwänge so dass Du noch mehr Grund zur THS gesehen hast? Und geht es dir jetzt besser damit, hat es sich gelohnt?
Gruss
Chris_84

Re: GdB30 Klagen?

Beitrag von Chris_84 »

michael_m hat geschrieben: So 14. Apr 2024, 20:43 ... Durch die vielen Behandlungen konnte ich auch viel lernen, allerdings ist mir nie wirklich die Umsetzung des Gelernten gelungen.
Wie ich an anderer Stelle schon schrieb, können manche Zwängler unterbewusst (noch) nicht auf das Zwängeln verzichten, weil sie noch nicht die dafür nötigen alternativen Herangehensweisen an ihr individuelles "Problem" entwickelt/gelernt/gefunden haben.

Ein weiterer Grund können negative (Täter-)Introjekte sein, die jeglichen Therapieversuch torpedieren...

Interessant wäre nun in diesem Zusammenhang, welche Lösungsansätze/Unterstützung hier die "leitliniengerechte Therapie" angeboten hat ? Ich fürchte nämlich: Keine !

michael_m hat geschrieben: So 14. Apr 2024, 20:43 Dazu kommt, dass ich sehr unter den Nebenwirkungen der Antidepressiva leide. Ohne diese bekomm ich aber nach einigen Monaten starke Magenschmerzen und Appetitverlust, konnte dann gar nichts mehr wirklich essen, weil mir sofort bei fast allem übel wurde. Habe mich dann mit Knäckebrot, Zwieback etc. über Wasser gehalten. Beim Zähneputzen hatte ich mich dann auch öfters übergeben müssen. Das hatte ich jetzt leider schon bei zwei Absetzversuchen (in Abstimmung mit dem Psychiater).
Auch hier wieder die Frage: welche Lösungsansätze/Unterstützung wurde hier für dieses Problem gegeben ? Es dürfte ja jahrelang Zeit gegeben haben, dies "in den Griff" zu bekommen...

https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/ ... en101.html
michael_m hat geschrieben: So 14. Apr 2024, 20:43 Die Zulassung wurde vom Hersteller Medtronic für das Krankheitsbild nicht verlängert. Vermutlich, weil sich die Zulassungskosten bei den relativ wenigen Eingriffen bei Zwangsstörung nicht rechnen.
Vermute ich auch. Wäre dann aber auch wieder ein Beleg dafür, dass dieses "Gesundheitssystem" nicht primär das Wohl der Patienten im Blick hat, sondern dass es vorranging um monetäre Interessen geht. Nicht selten zu Lasten und auf Kosten der Betroffenen.
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michael_m
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Re: GdB30 Klagen?

Beitrag von michael_m »

TeeCoffee hat geschrieben: So 21. Apr 2024, 16:01 Danke für die Antwort, das ist sehr interessant. Hattest Du denn auch starke Alltagseinschränkungen durch die Zwänge so dass Du noch mehr Grund zur THS gesehen hast? Und geht es dir jetzt besser damit, hat es sich gelohnt?
Bitte! :)

Ja, die Zwänge haben mich im Alltag schon stark eingeschränkt (z. B. bis zu (nicht immer ...) 4 h (fertig) Packen und Wohnung kontrollieren, wenn ich zu meinen Eltern fürs Wochenende gefahren bin). Sonst hätte ich den Eingriff nicht machen lassen. Andererseits kenne ich durch die SHG auch viele, die noch mehr als ich durch die Zwänge eingeschränkt sind.

Bzgl. Zwänge geht es mir bedeutend besser, nur die Depression ist leider aktuell sehr stark da. Inwiefern das mit der THS zu tun hat, weiß ich noch nicht. Aber die THS kann vom Hirnareal bei mir (BNST) nach meinem Verständnis nicht viel bezwecken, weil das vor allem für längere Angst zuständig ist. Könnte mir vorstellen, dass der Zwang bei mir die Depression überdeckt hat. Aber ... das sind reine Vermutungen. Noch hoffe ich, dass es einfach eine Übergangszeit ist und sich wieder legt.
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michael_m
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Re: GdB30 Klagen?

Beitrag von michael_m »

Chris_84 hat geschrieben: So 21. Apr 2024, 16:35
michael_m hat geschrieben: So 14. Apr 2024, 20:43 ... Durch die vielen Behandlungen konnte ich auch viel lernen, allerdings ist mir nie wirklich die Umsetzung des Gelernten gelungen.
Wie ich an anderer Stelle schon schrieb, können manche Zwängler unterbewusst (noch) nicht auf das Zwängeln verzichten, weil sie noch nicht die dafür nötigen alternativen Herangehensweisen an ihr individuelles "Problem" entwickelt/gelernt/gefunden haben.

Ein weiterer Grund können negative (Täter-)Introjekte sein, die jeglichen Therapieversuch torpedieren...
Du schreibst das so absolut, als ob das die einzige Erklärung wäre?! So einfach ist es glaube ich nicht...

Chris_84 hat geschrieben: So 21. Apr 2024, 16:35 Interessant wäre nun in diesem Zusammenhang, welche Lösungsansätze/Unterstützung hier die "leitliniengerechte Therapie" angeboten hat ? Ich fürchte nämlich: Keine !
Lösungsansätze und Unterstützung habe ich schon viel bekommen. Habe auch viel über mich selbst gelernt und konnte schon einiges stückweise umsetzen. Die Therapien und der Klinikaufenthalt waren in meinen Augen keine verschwendete Zeit. Aber im Alltag kommt dann doch immer mehr zusammen, wo es mir dann leider noch zu viel wird. Wahrscheinlich muss ich da mal ordentlich in mich gehen, wie ich z. B. mit der Arbeit für mich weitermachen will, sodass es mich auch nicht krank macht.

Chris_84 hat geschrieben: So 21. Apr 2024, 16:35
michael_m hat geschrieben: So 14. Apr 2024, 20:43 Dazu kommt, dass ich sehr unter den Nebenwirkungen der Antidepressiva leide. Ohne diese bekomm ich aber nach einigen Monaten starke Magenschmerzen und Appetitverlust, konnte dann gar nichts mehr wirklich essen, weil mir sofort bei fast allem übel wurde. Habe mich dann mit Knäckebrot, Zwieback etc. über Wasser gehalten. Beim Zähneputzen hatte ich mich dann auch öfters übergeben müssen. Das hatte ich jetzt leider schon bei zwei Absetzversuchen (in Abstimmung mit dem Psychiater).
Auch hier wieder die Frage: welche Lösungsansätze/Unterstützung wurde hier für dieses Problem gegeben ? Es dürfte ja jahrelang Zeit gegeben haben, dies "in den Griff" zu bekommen...

https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/ ... en101.html
Die Magenschmerzen waren so stark, dass ich kaum mehr dagegen ansetzen konnte. Es ging sogar soweit, dass ich teilweise nur noch durchsichtige Flüssigkeit als Stuhlgang hatte. Schonkost half leider auch nichts.
Die Magenspiegelung stellte zwar eine Helicobacter-Infektion fest, die war allerdings schon überstanden und wohl mehrere Jahre in der Vergangenheit aktiv. War insofern auch keine Erklärung für die Magenschmerzen.

Dass es nach dem Absetzen der Medizin herausfordernd wird, war mir klar. Aber ... dass es so extrem kommt, dass ich gar nicht mit meinen Handwerkszeug dagegensetzen konnte...

Chris_84 hat geschrieben: So 21. Apr 2024, 16:35
michael_m hat geschrieben: So 14. Apr 2024, 20:43 Die Zulassung wurde vom Hersteller Medtronic für das Krankheitsbild nicht verlängert. Vermutlich, weil sich die Zulassungskosten bei den relativ wenigen Eingriffen bei Zwangsstörung nicht rechnen.
Vermute ich auch. Wäre dann aber auch wieder ein Beleg dafür, dass dieses "Gesundheitssystem" nicht primär das Wohl der Patienten im Blick hat, sondern dass es vorranging um monetäre Interessen geht. Nicht selten zu Lasten und auf Kosten der Betroffenen.
Mag an einigen Stellen so sein, aber - mir wurde es ja genau trotz allem ermöglicht.

Chris_84, irgendwie machst du einen sehr verbitterten Eindruck auf mich...
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