Magisches Denken

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Silvia
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Magisches Denken

Beitrag von Silvia »

Hallo,

hat von Euch Jemand mit dem magischen Denken Erfahrungen?

Wie muss ich mir das Krankheitsbild vorstellen?
Im Internet liest man ja so viel darüber...

Danke Euch !
Nichts kann existieren ohne Ordnung,
nichts entstehen ohne Chaos.
Miranda_L

Re: Magisches Denken

Beitrag von Miranda_L »

Magisches Denken ist echt mies!

Deswegen werde ich die Beschreibung jetzt auch ähnlich eines Spoilertextes in einer ähnlichen Farbe wie den Hintergrund schreiben, sodass man ihn nur bequem lesen kann, wenn man den Text markiert.
Zwangskranke übernehmen hin und wieder die Zwangsvorstellungen anderer. Ich habe das am eigenen Leibe spüren müssen,
deshalb: Wer eine Zwangsstörung hat, die gerne mal das Thema wechselt, wenn eine neue komische Idee auftaucht, sollte diesen Text besser nicht lesen.


* Man will durch eine Tür gehen, doch bevor man die Klinke berührt, manifestiert sich der Gedanke: "Wenn du die Klinke jetzt nicht 4x berührst, wird deine Mutter schwer krank."
* Man will sich ein Butterbrot schmieren und es manifestiert sich der Gedanke: "Wenn du in das Butterbrot beisst, wird die nette Verkäuferin aus der Bäckerei von einem Auto angefahren."
* Man Spielt ein Computerspiel, in dem man Kräuter aufsammeln muss. Kurz bevor man eines der Kräuter einsammelt, kommt der Gedanke: "Wennnn du das tust, wirst du schwer krank!"
Wenn man dann weiterspielt, manifestiert sich der gleiche Gedanke immer wieder wenn man dieses spezielle Kraut einsammeln will.
* Man ist in der Stadt unterwegs und sieht ein kleines Kind. Es entsteht der Gedanke: "Wenn ich einen der weissen Pflastersteine berühre, geschieht diesem Kind etwas [Schreckliches]." <- Hier etwas einfügen, was man gerade für besonders Schrecklich hält und was man diesem Kind auf keinem Fall wünscht.

Wie es bei Zwängen üblich ist, ist der Gedanke so stark, dass man sich schwer dagegen wehren kann. Selbst dann nicht, wenn die Logik einem eindeutig sagt, dass es keine Magie gibt und das eigene Handeln die befürchteten Dinge niemals hervorrufen kann.

Die Konsequenz für das Nichteinhalten des Zwanges ist in der Regel etwas, was dem Erkrankten sehr viel Angst macht.
Die Psyche erpresst sich damit sozusagen selber.

Ganz besonders übel sind diese Gedanken, wenn man sie in einem Alter hat, in dem man ncoh nicht rational mit der Vorstellung von Magie umgehen kann.


Gruß
Miranda
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Yorge
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Re: Magisches Denken

Beitrag von Yorge »

Ich dachte mir vorerst, dass ich dazu kaum was schreiben kann, da ich das ja nicht habe. Aber beim Nachdenken darüber ist mir eingefallen, dass ich schon auch ein bisschen Erfahrungen damit gemacht habe. Ich denke immer, dass mein Zwang schon immer noch logisch erklärbar ist - dass ich zwar unsinnige übersteigerte Angst vorm Sterben oder chronischen Krankheiten habe und übertrieben vorsichtig bin und in gewisser Hinsicht kein minimales Restrisiko aushalte - aber ich bin meistens davon überzeugt, dass es bei mir keine irrealen, unlogischen Zusammenhänge gibt, wovon ja, soweit ich das verstehe, das "Magische Denken" geprägt ist. Glaube und Aberglaube dürften so einem Denken ganz ähnlich sein. Jetzt haben mich aber hier schon mal Marie und frühere Gespräche dazu gebracht, diese meine Überzeugung von mir selbst in Frage zu stellen. Anregungen waren:
Ist nicht jeder von der Richtigkeit seines eigenen Denkens überzeugt - auch wenn die meisten anderen (und vielleicht auch man selbst) es für einen Non-sense halten - dann glaubt irgendetwas in einem ja doch daran, dass es schon stimmen mag.
Vielleicht gehört ja ein wenig Verdrängen, Phantasieren, Glauben ja zu einem gesunden Verstand dazu, weil die pure Realität ja doch sehr schwer erträglich sein kann.
"Mit dem was man glaubt, schafft man sich seine Realität" - das kommt mir schon immer wieder mal in den Sinn, wobei ich mir nicht so sicher bin, inwieweit man beeinflussen kann, was man nun glaubt.
In dem ACT-Buch gibt es ein interessantes Zitat: "Eine Vorstellung ist wahr, solange es für unser Leben nützlich ist, sie zu glauben"

Silvia, ich frag einfach mal: Warum fragst du danach? Denkst du, dass deine Zwänge durch so ein Denken stark beeinflusst sind? Oder was ist es bei dir, was dich dazu bringt diese penible Ordnung halten zu müssen?

Miranda, ich finde es sehr rücksichtsvoll von dir, deinen Text so kreativ zu "verzaubern" - wie gesagt, mich plagt so ein Denken nicht all zu sehr, darum weiß ich nicht, wie es für andere ist - aber, kann man im Alltag überhaupt die Konfrontation mit so etwas vermeiden? Wenn man deinen Text nicht liest, sollte man sich schon fragen, welche Einschränkungen man sich sonst noch auferlegt um sich vor etwas zu "schützen", dem man sowieso nicht auskommt.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Silvia
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Registriert: Mo 13. Aug 2018, 17:12

Re: Magisches Denken

Beitrag von Silvia »

Yorge hat geschrieben: Fr 12. Okt 2018, 22:07 Silvia, ich frag einfach mal: Warum fragst du danach? Denkst du, dass deine Zwänge durch so ein Denken stark beeinflusst sind? Oder was ist es bei dir, was dich dazu bringt diese penible Ordnung halten zu müssen

Hallo Yorge,

warum ich danach frage, ist ganz einfach zu beantworten.
Bei meiner letzten Therapiestunde wurde von meiner Therapeutin angesprochen, dass es Ihrer Meinung nach noch Lücken, zur Erklärung meines Zwanges geben würde.
Und ja, sie hat Recht.

Bisher war ich immer der Annahme, dass einzig und allein meine Verlustängste hinter der ganzen Sache stecken würden.
Mittlerweile glaube ich aber auch, dass es das alleine wohl nicht sein kann.

Da magisches Denken so vielfältig ist, wie die Zwänge eben auch, bin ich mir nicht ganz sicher, ob es wirklich auf mich zutrifft.

Liebe Grüße,
Silvia
Nichts kann existieren ohne Ordnung,
nichts entstehen ohne Chaos.
Miranda_L

Re: Magisches Denken

Beitrag von Miranda_L »

Yorge hat geschrieben: Fr 12. Okt 2018, 22:07 Miranda, ich finde es sehr rücksichtsvoll von dir, deinen Text so kreativ zu "verzaubern" - wie gesagt, mich plagt so ein Denken nicht all zu sehr, darum weiß ich nicht, wie es für andere ist - aber, kann man im Alltag überhaupt die Konfrontation mit so etwas vermeiden? Wenn man deinen Text nicht liest, sollte man sich schon fragen, welche Einschränkungen man sich sonst noch auferlegt um sich vor etwas zu "schützen", dem man sowieso nicht auskommt.
Hallo Yorge,
ich muss zugeben, ich verstehe nicht so ganz was du meinst.

Ich versuche mal so zu antworten, wie ich es verstehe:

Glücklicherweise braucht es für Zwänge immer eine Idee.
Erst die Idee, dass beispielsweise etwas kontaminiert sein könnte, bzw. die Idee, dass eine Kontaminierung überhaupt erstmal ein Problem darstellen könnte, bringt uns dazu, eine Zwangsangst zu entwickeln.
Gerade wenn nocht gewisse Traumata und/oder Depression dazu kommen, kann dieser Mechanismus sich extrem verselbstständigen und da passiert es schnell, dass man plötzlich auch vor etwas Angst hat, wovor ein Familienmitglied Angst hat etc ...
(Das ist der Grund, warum ich über die Ängste, die hinter meinen Zwängen stecken, in der Regel nicht im Forum rede.)
Wäre es nicht speziell nachgefragt worden, hätte ich das magische Denken hier gar nicht beschrieben.

Gerade magisches Denken braucht diese spezielle Idee. Und die Idee ist recht abwegig. Man kommt von alleine nicht unbedingt darauf. Ist sie aber mal da, kommt man schwer davon runter.
Ich habe über 30 Jahre gebraucht ohwohl ich einen Großteil der Zeit wusste, wie irrational diese Ideen waren.
Deswegen habe ich gewarnt. Leute, die im Moment leicht beeinflussbar sind, sollten sich gerade über diese Variation der Zwangsgedanken nicht unbedingt jetzt informieren.


Nachdem ich mein magisches Denken abgebaut habe, traten nach einiger Zeit Kontrollzwänge an ihre Stelle.
Die habe ich gerne dagegen getauscht.
Alpha Centauri
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Re: Magisches Denken

Beitrag von Alpha Centauri »

Hi!

Ich habe auch mit "Magischem Denken" zu kämpfen, den Einfluss auf meinen Alltag aber deutlich reduzieren können. Grundsätzlich geht es bei diesem ritualisierten Fehlverhalten darum, Aktionen mit einem guten Gefühl abzuschließen. Das kann sein: Ein Gegenstand, der neu in die Wohnung kommt, ein Text, den ich verfasse, ein Kalenderblatt, was ich umdrehe - oder auch einfach nur eine Unsicherheit, dass das, was ich negativ denke, wenn ich an einem Spiegel vorbeigehe, sich dadurch bewahrheiten könnte.

Ich hänge aber diesbezgl. nun nicht mehr so häufig in Wiederholungs-Schleifen, weil ich mir Mühe gebe, zumindest mit diesem Zwang zu brechen und Unsicherheiten auszuhalten.

Einen schönen Gruß!
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Yorge
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Re: Magisches Denken

Beitrag von Yorge »

Ihr bringt mich ganz schön zum Grübeln - dank Silvia komme ich aber damit auch schon ganz gut zurecht ;) Beim Nachdenken über Verlustängste bin ich d'raufgekommen, dass es bei mir letztlich auch darum geht, Angst zu haben etwas zu verlieren - mein/anderer Leben oder Gesundheit, den gesunden Verstand, meine Seelenruhe,.. ; in Bezug auf Beziehung zu anderen Menschen - da versuche ich mir klar zu machen, dass sich dabei nichts nachhaltig Gutes erzwingen lässt - aber das kann schon eine schwierige Gratwanderung sein zwischen Festhalten oder sich zu sehr jemandem Aufdrängen und Loslassen oder Warten bis der/die Andere auf einen zugeht.

Miranda, deine Antwort beinhaltet schon das, worauf es mir ankommt. Die Gretchenfrage um die es immer wieder zu gehen scheint: Wie hast du's mit der Konfrontation? - in dem Fall, sich mit dem was ist, was es gibt, der Realität zu konfrontieren. Du zeigst damit, auch hierbei dem anderen die Wahl zu lassen - diese Möglichkeit war/ist mir gar nicht so klar. Für mich gilt/galt: Mit der Wahrheit muss man sich auseinandersetzen. Wsl. ist aber die fassbare Wahrheit oft relativer als ich glaube und wsl. gibt's auch da eine willkürlichere und schrittweise Annäherung.

Jetzt kenne ich mich bald selbst nicht mehr aus bei dem was ich schreibe - aber solange mir niemand Unrecht gibt lass ich es stehen.. aber ich werde evtl. wieder mehr tun statt überlegen.

Jedenfalls freut's mich recht, wenn's zu einem Austausch kommt.
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Yorge
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Love someone

Beitrag von Yorge »

Ich höre gerade "Love someone" von Lukas Graham in Schleife. Ich finde es passt gut zum (leider nicht immer) besinnlichen Advent. Und das dürfte auch uns Verlustängstler ansprechen.

"Wenn du jemanden liebst
und du hast nicht Sorge, sie zu verlieren
dann hast du wahrscheinlich nie jemanden so geliebt wie ich"
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Silvia
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Re: Magisches Denken

Beitrag von Silvia »

Ein wundervolles Lied, wie ich finde.
Ich bin gleich beim Musik hören hängen geblieben und hab eine kleine Pause eingelegt. ;)
Nichts kann existieren ohne Ordnung,
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