Umdenken, aber wie?

Lara
Beiträge: 207
Registriert: Mo 17. Sep 2018, 11:36

Umdenken, aber wie?

Beitrag von Lara »

Ich habe mal gelesen dass der Zwang wie ein ausgetrampelter Weg ist den man immer nutzt, und man nun einen neuen Weg gehen muss, der noch fast unbenutzt sei.
Irgendwie so ähnlich!
Vor diesem Problem stehe ich gerade irgendwie.
Wenn ich zum Beispiel durch meine Stadt laufe sehe ich an jeder Ecke Trigger. Es gibt Wege/Straßen wo ich fast denke, dass es wohl niemals mehr möglich sein wird, dass ich da mal ohne zu filmen gehen könnte!!
Wie kann ich lernen umzudenken? Mich quasi neu zu programieren?

Ich bin teilweise schon bereit endlich mal etwas „mutiger“ zu werden...
Aber dann sehe ich wieder all diese Trigger und die Filmerei und oder Kontrollen nehmen kein Ende!
Wenn ich in einer anderen Stadt bin oder Urlaub mache bin ich teilweise zwangfrei, wenn auch nicht immer...
Irgendwie suche ich noch nach dem Ansatz!
Ein Ansatz wo ich irgendwie anfangen kann...
Versteht ihr was ich meine?
Benutzeravatar
michael_m
Beiträge: 613
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Umdenken, aber wie?

Beitrag von michael_m »

Den neuen, fast unbenutzten Weg gilt es auszutrampeln. Er fühlt sich ungewohnt, komisch und unsicher an. Mit mal zu mal ist einem aber auch dieser neue Weg geläufig.

Ich muss aktuell leider auch wieder verstärkt daran arbeiten. Für mich heißt das ganz praktisch: Wenn ich z. B. den Wasserhahn abstelle, habe ich ein ungutes Gefühl. Der alte Weg wäre, jetzt meinen Kontrollzwängen nachzugehen. Der neue Weg ist, mich trotz des Gefühls vom Wasserhahn zu entfernen. Mit jedem Rauszögern der Zwänge bzw. vielleicht sogar Unterlassen der Zwänge wird der neue Weg geläufiger. Man fängt nicht mehr automatisch zu kontrollieren an und mit der Zeit verschwindet auch das ungute Gefühl.

Das heißt letztendlich: Der neue Weg bzw. das Umdenken braucht viel Übung.

Das Gute dabei: Es gibt den Effekt der "Generalisierung". Will heißen, dass man nicht jeden Zwang einzeln abtrainieren muss. Irgendwann kann das Gehirn die neuen Wege auf andere Situationen automatisch übertragen.
Kleiner Wermutstropfen: Das funktioniert leider auch anders herum und ist uns Zwänglern wohl bestens bekannt - Zwänge breiten sich auch gerne aus, wenn man nichts dagegen unternimmt.
Lara
Beiträge: 207
Registriert: Mo 17. Sep 2018, 11:36

Re: Umdenken, aber wie?

Beitrag von Lara »

Du hast mich auf eine Idee gebracht!
Eine Sache habe ich gerade extrem gemerkt. Ich schaue mindestens 20 mal am Tag auf meine Herdknöpfe, selbst wenn ich den gar nicht anhatte.
Die Angst, dass ich ihn „unbemerkt“ angestellt haben könnte ist zu groß...
Natürlich gab es diesen Fall bisher „noch nie“
Genau wie mit dem Wasserhahn, selbst wenn ich den nicht benutzt habe halte ich die Hand runter...
Es ist so normal geworden und das wird sich ab jetzt ändern. Wenn ich es noch nicht ganz schaffe den großen Zwängen nachzugeben, so möchte ich in meiner Wohnung nun anfangen!
Ich denke wenn ich hier den Anfang mache, dann werde ich „Draußen“ hoffentlich, vielleicht auch öfters dem Zwang wiederstehn können...?
Als ich deinen Bericht gelesen habe ist mir bewusst geworden dass ich in meiner Wohnung meine kompletten Zwänge auslebe🤭 also wirklich tausendmal hin und her laufe und mehrmals den Herd checke...
Ich fange nun in meinem Zuhause an! Zb das ich mir sage dass ich das alles nur noch zwei Mal checken darf oder so...
Werde berichten...
(Letzte Nacht als ich das Licht im Bad ausmachte stand ich wirklich noch Sekunden in der Tür um mir darüber bewusst zu werden dass das Licht ja nun aus sei!!!!! 🤭)
Benutzeravatar
Yorge
Beiträge: 333
Registriert: Fr 1. Jun 2018, 23:36

Re: Umdenken, aber wie?

Beitrag von Yorge »

@Michael
Was mir nicht so gefällt, auch an dem Bild, wie es Peter beschrieben hat, ist, dass es hier nur 2 Wege zu geben scheint - den einen falschen und den anderen richtigen und nun muss man sich von dem einen auf den anderen umpolen. Ich meine es sollten viele Pfade und Möglichkeiten erlaubt sein. Aber klar, wenn man immer wieder in Versuchung kommt ständig die selbe öde Strecke mit Schallschutzwand, Navi im Schritttempo abzufahren um ja nichts Neues zu wagen und auf Nummer Sicher zu gehen, dann sollte man diese Strecke für sich mal ausschließen, um überhaupt andere Wege zu entdecken.

@Lara: spätestens, wenn du den Lichtschalter zum Ausschalten nicht mehr findest, weil es zu finster ist, weißt du, dass du gehen kannst ;-)
Alles gute beim Üben an den “kleineren“ Zwängen - und löse nicht die einen durch andere ab - nur 2x checken dürfen wäre mir, für mich, wsl. schon wieder etwas zu strikt und viell. zwanghaft.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Benutzeravatar
michael_m
Beiträge: 613
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Umdenken, aber wie?

Beitrag von michael_m »

Lara, das was du beschreibst, kommt mir auch recht bekannt vor. :) Bei mir spielen sich aber auch die meisten Zwänge in der Wohnung ab.
Dass du die Zwänge in der Wohnung angehen willst, finde ich gut! Sei motiviert, aber verausgabe dich nicht. Versuche da ein richtiges Maß für dich zu finden. Ich selber konzentriere mich zur Zeit eben verstärkt u. a. auf die Wasserhähne.

Yorge, ja, du hast Recht. In der Praxis gibt es mehr als zwei Wege. Und ab und an wird man mal wohl aber auch noch den alten Weg gehen.
Wie du schon mal an anderer Stelle erwähnt hast, kann auch zwanghaftes Nicht-Zwängeln in gewisser Weise ein Zwang sein. ;)
Ein etwas lockerer Umgang mit den eigenen Zwängen kann jedenfalls nicht schaden. Sich fordern, aber nicht überfordern ist wohl ein guter Weg. Wenn das Unterlassen des Zwangs mal nicht klappt, sollte das auch kein Drama sein.
Lara
Beiträge: 207
Registriert: Mo 17. Sep 2018, 11:36

Re: Umdenken, aber wie?

Beitrag von Lara »

Die Sache ist dass ich das Gefühl habe nie wieder mehr von meiner Filmerei loszukommen das zermürbt mich.
Es gibt Tage da bleibe ich einfach nur in der Wohnung weil ich mich einfach nicht mehr traue irgendwas zu machen!!
Diese Zweifel nach einem Einkauf oder Spaziergang sind einfach oft so schlimm. Es ist so tragisch und traurig dass ich quasi meiner Wahrnehmung oft nicht vertrauen kann:(
Mich macht das gerade sehr traurig :(

Ich starte ja oft den Versuch, dann gab es Tage da hab ich gar nicht gefilmt...
Und dann bin ich von einem auf den anderen Tag wieder sooo unsicher 😪 ach menno.
Benutzeravatar
OCD-Marie
Beiträge: 262
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Umdenken, aber wie?

Beitrag von OCD-Marie »

Lara hat geschrieben: Di 30. Jul 2019, 09:22 Es ist so tragisch und traurig dass ich quasi meiner Wahrnehmung oft nicht vertrauen kann:(
FALSCH

Dein Problem ist nicht, dass du deiner Wahrnehmung nicht vertrauen kannst.

Das kannst du !

Dein Problem ist, dass du ihr nicht vertraust.


...es geht darum, dieses Vertrauen in deine Wahrnehmung wieder zu finden.
Benutzeravatar
Yorge
Beiträge: 333
Registriert: Fr 1. Jun 2018, 23:36

Übermenschliches

Beitrag von Yorge »

Mhm, so ähnlich sehe ich das auch.
Lara vertaut einfach nicht in ihre natürliche menschliche Wahrnehmung, inklusive Gedächtnis. Normalerweise kommt man aber mit dieser "angeborenen" Ausstattung aus - und, wenn man sich von "Hilfsmitteln" abhängig gemacht hat, ist es einfach nicht so leicht, sich das wieder abzugewöhnen.

Das finde ich interessant, auch in Bezug darauf, was ich so glaube unbedingt zusätzlich zu brauchen.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Lara
Beiträge: 207
Registriert: Mo 17. Sep 2018, 11:36

Re: Umdenken, aber wie?

Beitrag von Lara »

Ja genau. Ich verstehe das nicht wieso ich dieses Vertrauen verloren habe!!!
Ich wünsche mir einen Klick im Kopf. Ich meine, wenn ich mir abends nach dem Einkaufen Sorgen mache ob ich geklaut habe oder das Laden Personal beleidigt haben könnte, dann habe ich ja quasi kein Vertrauen.
Ich frage mich ob ich jemals ohne filmen wieder vor die Türe kann?
Zu stark sind einfach diese Zweifel wenn ich es nicht tue.
(Also wenn ich nicht filme)
Dann frage ich mich oft wieso ich so schlecht von mir denke, denn ich muss zugeben dass ich, wenn man das von sich selber sagen darf ein sehr lieber Mensch bin 🙂

Frage mich halt wie ich es hinbekomme nicht zu filmen.

Hm irgendwie fehlt mir da ein Klick oder ?
Benutzeravatar
michael_m
Beiträge: 613
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Umdenken, aber wie?

Beitrag von michael_m »

Leider denken meistens die Leute selber über sich schlecht, die es am wenigsten nötig hätten ... :)

Naja, zumindest aus Sicht der Verhaltenstherapie gibt es hier keinen Schalter. Sondern es muss eben das neue Verhalten eintrainiert werden. Während der Trainingsphase wird man auch gegen das ungute Gefühl arbeiten müssen. Dieses stellt sich erst nach längerer Zeit um.

An sich also einfach, aber es erfordert eben viel Ausdauer und Kraft. Ich selber musste da leider auch wieder herbe Rückschläge erleiden. Aber letztendlich muss man wieder aufstehen und versuchen weiterzumachen. Ggf. mit Unterstützung, ich z. B. nehme inzwischen wieder Fluoxetin ein. Mache aber auch wieder regelmäßig eigenständig Expos. Heute erst wieder - habe alle Wohnungszwänge angetriggert und bin dann ohne Kontrolle (bzw. fast ohne) für 1 h aus der Wohnung rausgegangen.
Antworten