Gibt es jemanden, der seine Zwänge bezwungen hat?

Zwängelei
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Registriert: Mo 12. Aug 2019, 20:37

Gibt es jemanden, der seine Zwänge bezwungen hat?

Beitrag von Zwängelei »

Hallo zusammen,

langsam bin ich echt verzweifelt. Bin die Mutter eines fast 12-jährigen Sohnes, bei dem seit ca. 5 Monaten eine Zwangserkrankung (Wiederholungs-/Berührungszwang, teilweise auch Waschzwang) diagnostiziert wurde und der auch - glücklicherweise - gleich einen ambulanten Therapieplatz bei einer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin erhalten hat. Ich weiß, dass wir hier großes Glück hatten, überhaupt unterzukommen.

Unser Sohn mag seine Therapeutin und hat auch große Fortschritte gemacht, so dass sie ihm vorschlug, die Termine zweiwöchig zu legen - das hatte aber fatale Auswirkungen und führte zu großen Rückschritten. Nachdem die Therapiepraxis nun aber für 3 Wochen in Urlaub ist, versuchen wir, ihn wenigstens in dieser Urlaubsphase irgendwo unterzubringen, um die Zwangssymptomatik nicht weiter zu verschlechtern..... so richtig gewillt ist er allerdings nicht.

Er hätte die Möglichkeit gehabt, stationär zu gehen - dies hat er abgelehnt. Nun bietet ihm die Tagesklinik einen Platz - auch "nur überbrückungsweise", wenn er es wünscht. Doch so richtig überzeugt ist er nicht.

Derzeit nimmt er noch keine Medikamente - schließlich waren bis vor 3 Wochen seine Fortschritte enorm und wir hatten wieder ein fast normales Familienleben.

Was mir jedoch Sorge bereitet ist - wenn man die Foren hier so anschaut - die wenigen positiven Lebensläufe von Erkrankten, die es länger geschafft haben, symptomfrei zu bleiben.... Er spricht manchmal selber davon, dass "das nie weggeht".

Mir blutet dabei das Herz... Gibt es hier im Forum jemanden, der es geschafft hat, dieses scheußliche Zwangsmonster, wie ich es nenne, zu bekämpfen? Würde mich über positive Rückmeldungen freuen.

Zwängelei-Mama
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Yorge
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schönes Leben

Beitrag von Yorge »

Ich habe schon viel geschafft, trotz/mit/gegen Zwänge - schade, dass du das weniger bemerkenswert findest. Dir scheint eher aufzufallen, dass viele noch nicht eine entsprechende Zufriedenheit erlangen - vielleicht möchte dein Sohn auch, dass du dich mehr darauf konzentrierst, was ihm alles gelingt. Ich meine erfolgreicher zu sein mit Ehrlichkeit, Geduld, Wertschätzung und Liebe und weniger mit Bezwingen, Bekämpfen und Beschimpfen. Und gerade in der Eltern-Kind-Beziehung kann es lohnend sein, mal zu versuchen, nicht vor allem den anderen ändern zu wollen, sondern auch mal darauf zu schauen, was ich an mir ändern könnte. Also setze ich auch gleich mal um, was ich hier für Weisheiten von mir gebe: Schön, dass du hier im Forum was beigetragen hast und dass du uns vertraust - vielleicht können wir uns gegenseitig Anregungen geben, die uns einen kleinen Wink geben, damit wir zufriedener werden. Ich merke oft, dass ich mich über die Angehörigen schon auch etwas ärgere - aber das wird schon besser. Ist ja gut, dass ihr wenigstens versucht uns ein bisschen besser zu verstehen und es ist ja auch ok, dass ihr uns anders haben wollt - das wollen wir ja meist selbst auch - und, wenn ihr uns das glaubt, dass wir eh auch wollen, dass wir es gut miteinander haben, dann könnt ihr euch schon mal ein wenig beruhigen.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Kämpferin

Re: Gibt es jemanden, der seine Zwänge bezwungen hat?

Beitrag von Kämpferin »

Zwängelei hat geschrieben: Mo 12. Aug 2019, 21:17 Hallo zusammen,

langsam bin ich echt verzweifelt. Bin die Mutter eines fast 12-jährigen Sohnes, bei dem seit ca. 5 Monaten eine Zwangserkrankung (Wiederholungs-/Berührungszwang, teilweise auch Waschzwang) diagnostiziert wurde und der auch - glücklicherweise - gleich einen ambulanten Therapieplatz bei einer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin erhalten hat. Ich weiß, dass wir hier großes Glück hatten, überhaupt unterzukommen.

Unser Sohn mag seine Therapeutin und hat auch große Fortschritte gemacht, so dass sie ihm vorschlug, die Termine zweiwöchig zu legen - das hatte aber fatale Auswirkungen und führte zu großen Rückschritten. Nachdem die Therapiepraxis nun aber für 3 Wochen in Urlaub ist, versuchen wir, ihn wenigstens in dieser Urlaubsphase irgendwo unterzubringen, um die Zwangssymptomatik nicht weiter zu verschlechtern..... so richtig gewillt ist er allerdings nicht.

Er hätte die Möglichkeit gehabt, stationär zu gehen - dies hat er abgelehnt. Nun bietet ihm die Tagesklinik einen Platz - auch "nur überbrückungsweise", wenn er es wünscht. Doch so richtig überzeugt ist er nicht.

Derzeit nimmt er noch keine Medikamente - schließlich waren bis vor 3 Wochen seine Fortschritte enorm und wir hatten wieder ein fast normales Familienleben.

Was mir jedoch Sorge bereitet ist - wenn man die Foren hier so anschaut - die wenigen positiven Lebensläufe von Erkrankten, die es länger geschafft haben, symptomfrei zu bleiben.... Er spricht manchmal selber davon, dass "das nie weggeht".

Mir blutet dabei das Herz... Gibt es hier im Forum jemanden, der es geschafft hat, dieses scheußliche Zwangsmonster, wie ich es nenne, zu bekämpfen? Würde mich über positive Rückmeldungen freuen.

Zwängelei-Mama

Liebe Zwängelei-Mama,

ich bin noch recht am Anfang meiner Therapie, deswegen kann ich dir aus eigener Erfahrung keine Verlaufsprognosen geben. Aber ich wollte dennoch antworten, weil mich dein Beitrag fast haargenau an mich selbst erinnert hat. Ich hatte nämlich einen sehr ähnlichen Verlauf: schnell Therapieplatz gefunden -> mich gut gefühlt -> dann plötzlich schlechter gefühlt (mir wurde damals gesagt, dass sei normal, weil man sich in der Therapie eben mit sich und dem Zwang auseinandersetzt und das ist emotional sehr stressig, weswegen es vielen Leuten erstmal schlechter geht. Ich fande das eine wichtige und beruhigende Information, deswegen schreib ich das mal dazu) -> zu Beginn des Urlaubs meiner Therapeutin plötzlich ganz schlecht gefühlt -> über Medikamente/stationäre Therapie/Tagesklinik nachgedacht, mich aber dann doch (erstmal) dagegen entschieden (z.T. auch wegen äußerer Umstände) -> und in dieser "Tiefphase" gedacht, dass "das nie weggeht".
Ich habe dann vermehrt drauf geachtet/mir die Zeit genommen, meine Übungen zu machen. Vielleicht hat dein Sohn ja auch welche, die ihr machen könnt/sollt? Mir jedenfalls haben die soviel geholfen, dass ich in den letzten zwei Wochen an manchen Tagen fast schon "Angst" hatte, meine Therapeutin schickt mich gleich wieder nach Hause, sobald sie aus dem Urlaub kommt ;D
Natürlich habe ich trotzdem noch schlechte Tage, aber eben auch gute.
Was ich damit sagen will, ist folgendes: (Meiner Ansicht nach) gehören Tage, an denen man denkt, es geht nie wieder weg (leider und zumindest am Anfang, an dem dein Sohn und ich ja beide stehen - über mehr kann ich keine Auskunft geben), dazu. Das heißt aber nicht, dass es von jetzt an nur noch schlechte Tage gibt oder das "das wirklich nie wieder weggeht". Aber ich verstehe, wie man dazu kommt, so etwas zu denken.

Ich glaube, dass ihr definitiv mit der Therapeutin reden solltet, ob der 2-Wochen-Rhythmus beibehalten werden kann oder nicht, muss ich nicht noch extra schreiben, oder?! :D

Alles Gute für euch! :)
Zwängli

Re: Gibt es jemanden, der seine Zwänge bezwungen hat?

Beitrag von Zwängli »

Hallo,

Auch wir sind betroffene Eltern, unsere Tochter ist 14 Jahre alt, hat seit ca. 1,5 Jahren Waschzwang, wobei später auch Zählzwänge dazu gekommen sind (gute Zahlen/schlechte Zahlen) und Gedankenzwänge.
Therapeuten hatten wir (1x pro Woche) anfänglich, hat aber nichts gebracht. Die Zwänge wurden schlimmer und Schule war irgendwann nicht mehr möglich. Dabei waren wir als Eltern irgendwann auch total eingebunden, was das Zwangsmonster nur noch stärker gemacht hat.
Wir haben nun mittlerweile 2 stationäre Kliniken hinter uns mit medikamentöser Behandlung/Pharmakotherapie. Erste Klinik war totaler Reinfall, da hier völlig ohne Sinn und Verstand (Bestrafungsprinzip statt Belohnungsprinzip, kaum Therapie und dann nicht auf Zwänge ausgerichtet. Aber mit Medikamenten waren die schnell dabei, teilweise wurden wir unter Druck gesetzt zuzustimmen). Hatten wir schnell wieder abgebrochen.
Die zweite Klinik war besser, hier wurde unserer Meinung nach gemäß den S3-Leitlinie Zwangsstörungen behandelt mit Teilerfolgen. Eigentlich haben wir uns sehr gut aufgehoben gefühlt und wurde auch immer informiert/mit einbezogen. Letztendlich wurde aber auch hier medikamentös und mit zu wenig passenden Therapie behandelt, so dass wir unsere Tochter auch hier wieder rausnahmen.

Aktuell ist es besser, aber noch lange nicht perfekt. Wir sind weiterhin in therapeutischer Behandlung und sind guter Dinge, dass das Zwangsmonster bald weiterzieht.
Deswegen bitte die Hoffnung nicht aufgeben sich am besten selbst gut informieren (Bücher wie „Dem Zwang die rote Karte zeigen“ lesen, überlegen was den Zwang triggert, …) und wirklich gute therapeutischen Unterstützung finden. In dem Alter lässt sich das gut behandeln, mit den richtigen Therapeuten.

Resümee aus unserer bisherigen Erfahrung:
  • Therapeuten / Kliniken sollten auf Zwangserkrankungen spezialisiert sein (ja, es ist sehr schwierig da was zu finden…leider).
    Generell ist ein Tapetenwechsel (raus aus dem gewohnten Umfeld) sicher hilfreich, Tagesklinik kann helfen…falls sie auf Zwänge eingestellt ist
  • Therapeutisch sollte immer kognitive Verhaltenstherapie mit Exposition an erster Stelle stehen
  • Dinge machen die ablenken und den Zwang nicht zu sehr zum Hauptthema werden lassen (Sport, Freizeiten in den Ferien, Urlaub…alles was dem Kind Spaß macht)
  • Loben wenn etwas gut klappt, wie z.B. den Zwang unterbrechen. Wir können uns nicht vorstellen, was für eine Überwindung das kostet!
  • Den Familienfrieden wahren, auch wenn es manchmal schwierig ist. Zwänge unterbrechen im Streit, weil man nervlich am Ende ist, bringt leider nichts. Macht das Ganze langfristig nur schlimmer.
  • Vom Zwang wenig mit einbinden lassen (klappt nicht immer)
  • Medikamente bringen nichts, verändern nur das Wesen (Aggressivität usw.) Wir hatten Sertralin bis zur Höchtsdosis (in der ersten Klinik augmentiert mit anderem Medikament – totaler Schwachsinn). Man muss sich mal überlegen, was man seinem Kind antut in eine Phase (Pupertät) in der das Gehirn sowieso neu organisieret wird.
    Aktuell sind wir Medikamentenfrei und bleiben es auch (welcher Arzt würde das seinen eigenen Kindern verabreichen?)

Alles Gute
Papa Zwängli
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michael_m
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Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Gibt es jemanden, der seine Zwänge bezwungen hat?

Beitrag von michael_m »

Hallo Zwängelei-Mama,

bitte bedenke, dass der größte Anstoß dieses Forum zu nutzen der ist, dass man entweder selbst oder ein Angehöriger erkrankt ist. Das heißt, dass geheilte Patienten wohl kaum mehr hier vorbeischauen werden. Insofern kann man ein verzerrtes Bild bekommen, wenn man hier im Forum rumliest.

Die Behandlung einer Zwangsstörung ist allerdings trotz allem eine Herausforderung. Die besten Heilungchancen bestehen, wenn die Krankheit so früh wie möglich behandelt wird. Dies könnte ein Vorteil für denen Sohn sein.

Sowohl ich, als auch andere im Forum, hatten mit der Krankheit viele Jahre zu tun, ehe man in Behandlung gegangen ist. Im Schnitt rechnet man mit 7 Jahren. Das mach es u. a. bei der Krankheit so schwierig, diese wieder vollständig wegzubekommen.
Aber für den Fall, dass keine vollständige Heilung gelingt, so ist meist zumindest eine Verbesserung der Symptomatik möglich.

Viele Grüße, Michael
Zwängelei
Beiträge: 5
Registriert: Mo 12. Aug 2019, 20:37

Re: Gibt es jemanden, der seine Zwänge bezwungen hat?

Beitrag von Zwängelei »

Vielen lieben Dank an euch alle für eure Rückmeldungen!

Ja, wahrscheinlich ist es wirklich so, dass man hier in den Foren hauptsächlich Leute trifft, die noch mit größeren Problemen der Erkrankung zu kämpfen haben.

Ich würde meinem Sohn ja so gern einfach Mut machen und ihm gerne Beispiele nennen, dass man es schaffen kann, auch wenn es anstrengend ist und Überwindung kostet. Das tue ich auch - nach Kräften. Doch leider bin ich auch nur ein Mensch, zudem nicht der geduldigste, :( aber ich arbeite an mir.

Es ist eben manchmal so unglaublich schwierig, wenn du ein schreiendes Kind hast, das z. B. nicht ins Bett kommt und das Geschwisterkind mit seinem Geschrei weckt....die Nerven liegen dann echt schon blank und leider ist meine Tagesverfassung (und auch die meines Mannes) dann nicht mehr die beste. Manchmal fühl ich mich einfach so ausgelaugt.... und ich kann dann echt fast nicht mehr.

Seit gestern ist unser Sohnemann jetzt in der Tagesklinik, aber eigentlich möchte er nicht wirklich dorthin. Eine Therapie hat ja dort auch noch nicht stattgefunden (1. Tag). Letzten Endes geht er dorthin, weil wir ihm klarmachen, dass er während den Ferien nicht den ganzen Tag zu Hause sein kann - hier wird sein Zwang ja ständig getriggert (schwerpunktmäßig morgens und abends), außerhalb ist dies so gut wie gar nicht der Fall. Mein Urlaub ist Ende der Woche zu Ende, dann hat Papa noch zwei Wochen frei. Wir werden am WE noch kurz wegfahren. aber ein größerer Urlaub ist derzeit nicht möglich.

Wir hatten zu Beginn der ambulanten Therapie Phasen, da war ich mir nicht sicher, ob er es in die Schule schafft - doch das hat er alles hingekriegt, war weiterhin ein ausgezeichneter Schüler. Er machte derart große Fortschritte, dass wir schon wieder ein "fast normales" Familienleben hatten. Klar war mir schon, dass es auch Rückschritte geben kann, aber dass die derart krass ausfallen, hätte ich mir nie im Leben vorgestellt: ein den ganzen Tag lang heulendes und gellend schreiendes Kind, das seinen Zwang nicht mehr unterbrechen kann, hat mich selber an die Grenzen des Verstandes gebracht. Verpasste Termine, Dauerzwang über den ganzen Tag.....Es war für unseren Sohn und uns die HÖLLE, die dauerte ca. 1 ganze Woche. Du stehst daneben und kannst nichts, aber auch gar nichts tun......

Ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, wir waren bei seiner Therapeutin und auch dort hieß es: Rückschritte sind durchaus normal, so krass jedoch nicht. Dann waren wir auf der Suche, die Ferienzeit zu überbrücken, um einen derartigen Absturz nicht nochmals erleben zu müssen. Nach der Therapiesitzung hat er sich langsam wieder einigermaßen in den Griff bekommen, doch sind wir noch lange nicht da, wo wir schon mal waren. Alles kein Problem, sage ich ihm immer wieder, wir kommen wieder zu Erfolgen. Doch die Therapiepause sitzt mir schon wie ein Stein im Magen..... auch die Tagesklinik ist eine freiwillige Therapie doch Sohnemann findet eigentlich nicht, dass er das nötig hat...... Wahrscheinlich sieht man die Welt als Betroffener mit anderen Augen?

Für unseren Sohn ist seine Schule die "höchste Instanz", ich glaube, deswegen hat er sich irgendwie in den Griff bekommen. Ich würde ihm seinen normalen Schulbesuch auch gerne weiterhin ermöglichen - es hängen daran eben auch die sozialen Kontakte.... Er ist sehr sensibel und zurückhaltend, ich glaube, wenn er nicht mehr in seine Schule kann, dann ist das für ihn zuerst mal ein Weltuntergang....

Das Buch "Zwang die rote Karte zeigen" haben wir bereits gelesen, es hat doch geholfen, die Krankheit besser zu verstehen.

Übungen legt er zusammen mit seiner Therapeutin fest und macht sie dann zu Hause. Das hat in der Vergangenheit gut geklappt, wenn auch nicht immer. Ich habe mit ihm vereinbart, dass er während des Therapie-Urlaubs selbst 2-3 Ziele pro Woche notiert und versucht, diese zu erreichen. Die erste Woche hat es ganz gut funktioniert, ich werde es mit ihm auch weiter machen. Leider höre ich von ihm aber immer mal wieder solche Sätze wie "Frau XY sieht es aber doch eh nicht, die ist ja in Urlaub", deswegen hab ich schon ein bisschen Magenschmerzen..... wir werden sehen.

@Yorge: Ja, das ist eben das absolut Bewundernswerte, dass Zwangskranke, trotz der übergroßen Krankheitsbelastungen, sehr viel leisten können! Absoluter Respekt! Unser Sohn hat, trotz sehr schlechten Phasen, ein Spitzenzeugnis und wir haben ihm dies auch gesagt, dass das in Anbetracht der Umstände, wie er dazu kam, mehr als eine großartige Leistung ist. Es gibt auch viele schöne Erlebnisse, wir versuchen auch, die Zeit mit ihm damit zu füllen. Gemeinsame Unternehmungen oder Urlaube lassen uns manchmal (fast) vergessen, dass wir ein erkranktes Kind haben. Das sagen wir ihm auch und das weiß er. Ich will ihn nicht ändern, ich will ihm nur dabei helfen, sein Leben selbst zu meistern. Das kann er nämlich im Moment nicht ohne Hilfe von uns. Ich weiß auch, dass man sich nicht in Zwänge einbinden lassen soll - doch manchmal merkt man es erst zu spät oder du machst es einfach, weil sonst gar nichts mehr geht.... :cry:

Heute war der zweite Tagesklinik-Tag, mal sehen, was Sohnemann so von sich gibt.... Ich fahr ihn jetzt abholen.

Vielen lieben Dank für eure Rückmeldungen.

Zwängelei-Mama
Kämpferin

Re: Gibt es jemanden, der seine Zwänge bezwungen hat?

Beitrag von Kämpferin »

Liebe Zwängelei-Mama,

das, was du beschreibst, klingt wirklich für Angehörige schwer zu ertragen. Ich selber kann aus den Gesprächen mit meiner eigenen Mama nur erahnen, wie schwer es für Angehörige sein muss, "daneben zu stehen" und recht wenig tun zu können.
In den Forum hier ist es in einigen Angehörigen-Themen schon einmal angesprochen worden, von daher hast du es vielleicht schon gelesen, aber ich schreibe es trotzdem nochmal: Haben du und dein Mann schon einmal darüber nachgedacht, selber zu einer Therapie/Selbsthilfegruppe/etc. zu gehen, damit die Erkrankung euch nicht alle zugrunde richtet?

Ich hoffe, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, aber weil du gerade einige Worte ange"sprochen" hast, die bei mir einige Erinnerungen getriggert habe, schreibe ich als mal als eigene Erfahrung, die aber vielleicht auch als Anregung dienen kann: Auch ich war immer gut in der Schule und an der Uni und habe (egal welche Situation, wie es mir selber ging etc.) immer gute Noten geschrieben. Das hat bei mir aber einen totalen Druck aufgebaut, immer gut sein zu müssen, und dafür zu sorgen, dass sich alle auf mich verlassen können, und am besten nie einen Fehler zu machen. Und jetzt (heute ganz akut) bekomme ich allmähliche die dumpfe Ahnung, dass es genau dieser Perfektionismus, dieses übertriebe Verantwortungsgefühl und z.T. schon quasi "prophylaktische" Schuldgefühle sind, die eine ganz große Rolle an meiner jetzigen Situation spielen.
Das heißt natürlich nicht, dass es bei deinem Sohn auch so sein muss, aber wie gesagt: es sind ein paar Schlagwörter (Schule, Zeugnisse, gute Noten, etc.) gefallen, die mich so sehr an meine eigene Kindheit und eigentlich auch Erwachsenenzeit erinnert haben, dass ich das unbedingt mit dir teilen wollte. Vielleicht wollt ihr es ja doch mal thematisieren - und selbst, wenn es nur ist, um deinem Sohn schon mal prophylaktisch den Druck von den Schultern zu nehmen.

Ich wünsche dir, deinem Sohn und deiner Familie weiterhin alles Gute! :)
Zwängelei
Beiträge: 5
Registriert: Mo 12. Aug 2019, 20:37

Re: Gibt es jemanden, der seine Zwänge bezwungen hat?

Beitrag von Zwängelei »

Liebe Kämpferin,

genau dieser Perfektionismus scheint bei unserem Sohn da zu sein - er wollte immer von mir wissen, worin er der Beste ist. Ich hab ihm immer gesagt, dass er sich Dinge sehr, sehr gut merken kann, dass er ein super Läufer ist, sich super in bestimmten Dingen auskennt usw. Er macht sich den Druck, das sind nicht wir! Ich glaube manchmal, dass er meint, bei anderen nur mit guten Leistungen und nicht mit seiner Persönlichkeit überzeugen zu können. Ich weiß gar nicht, wie ich hier unterstützen kann - er ist ein absolut liebenswertes, verlässliches und tolles Kind.....

Rückblickend ging die Sache eigentlich mit dem Übertritt ans Gymnasium von der Grundschule los, davor hatte er aber auch mal eine "auffällige" Phase (Vermeidung Berührung von Türklinken). Wir waren deswegen beim Kinderarzt, der sprach ihn deswegen an und zwei, drei Wochen später war der Spuk verschwunden.

Vor dem Übertritt an das Gymnasium machte sich einfach Sorgen wegen der neuen Schule und ob das für ihn nicht zu schwierig sei (er hatte eine Gymnasial-Empfehlung und lernt leicht) - er hatte zu dem Zeitpunkt aber noch keine Zwänge. Wir haben ihm gesagt, dass ein derartig schlaues Kind die beste Bildung haben sollte und er dann später selber entscheiden soll, was er damit anfängt. Er ist jetzt nicht so der Praktiker, aber niemand von uns besteht auf ein Studium o. ä. - es ist sein Leben, er darf das selbst entscheiden! Aber auch hier hatte er schon die Wahl, die Schule zu wechseln, sollte es daran liegen. Das will er aber auf gar keinen Fall.

Heute hatten wir den zweiten Tag der Tagesklinik hinter uns, er will nicht mehr hin. Wir versuchen ihn trotzdem zu überreden, noch eine Zeit dort zu bleiben. Wir sind verzweifelt.... alles ist gut, solange wir nicht zu Hause sind. Sobald wir die Haustüre aufschließen, fangen die Zwänge wieder an. Bin mal gespannt, wie die Bettgeh-Zeremonie heute ausfällt...

Die letzten Tage erzählt er immer von seinem "schlechten Gefühl" das er nach einem Zwangsritual hat. Ich sage ihm immer, er möge es doch einfach aushalten, es gehe vorbei. Das versucht er dann auch. Er ist ja durchaus motiviert und macht auch gut mit. Da bin ich echt stolz auf ihn - das sage ich ihm auch immer wieder.

Drückt mir die Daumen, dass er es mit der Tagesklinik weiter versucht. Das ist derzeit unser Strohhalm.

Euch einen schönen Abend wünscht
Zwängelei-Mama
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OCD-Marie
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Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Gibt es jemanden, der seine Zwänge bezwungen hat?

Beitrag von OCD-Marie »

Zwängelei hat geschrieben: Mi 14. Aug 2019, 21:00 alles ist gut, solange wir nicht zu Hause sind. Sobald wir die Haustüre aufschließen, fangen die Zwänge wieder an.
Das ist kein Zufall. Wenn ihr ihm helfen wollt, findet heraus, inwieweit euer Verhalten mitursächlich für seine Zwänge ist. Und dann ändert es !
Kämpferin

Re: Gibt es jemanden, der seine Zwänge bezwungen hat?

Beitrag von Kämpferin »

Liebe Zwängelei-Mama,

erstmal vorneweg: Ich finde es toll, dass du/ihr euren Sohn für seine Erfolge lobt - meine Mutter hat damit nämlich leider erst angefangen, als ich schon zur Uni gegangen bin. Aber rein aus meiner Perspektive als zum Perfektionismus erzogener Mensch: Ich denke, dass es dem Perfektionismus wahrscheinlich nicht entgegen wirkt, wenn ihr euren Sohn (nur oder vorrangig) dafür lobt, dass er etwas gut gemacht oder super schlau ist oder so. Denn das bestärkt ihn ja vielmehr: Machst du etwas gut, kriegst du ein Lob.
Ich sage jetzt mal rein aus meiner Perspektive, was ich mir, seit ich bewusst darüber nachdenke, von meiner Mutter gewünscht hätte, aber auch heute noch wünsche (gerade auch, weil meine Zwänge ganz viel mit (keine) Fehler machen, für alles verantwortlich sein etc. zu tun haben): Und das ist, gesagt zu bekommen, dass sie für mich da ist, wenn Schei*e mal schief läuft, dass es auch in Ordnung ist, mal einen Fehler zu machen (oder auch: letztens hat sie mir erzählt, dass sie mal genau so einen Fehler gemacht hat, vor dem ich mich in der Situation zwanghaft gefürchtet habe - das hat mir total geholfen, zu sehen, dass sie auch Fehler macht), dass ich unabhängig von meinen Leistungen liebenswert bin und sie mich auch unabhängig von meinen Leistungen liebt. Denn ich denke, den Rückhalt und die Liebe der eigenen Familie no matter what zu haben, kann sehr beruhigend sein - wahrscheinlich gerade auch für ein Kind/einen jungen Erwachsenen.
Aber wie gesagt, dass ist nur meine Meinung aus eigener Erfahrung. Vielleicht lohnt aber auch ein Gespräch mit der Therapeutin über dieses Thema.
:)
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