Angst vor Zwangsgedanken

Zinal

Angst vor Zwangsgedanken

Beitrag von Zinal »

ich bin mir nicht sicher, ob ich hier im Forum richtig bin, deshalb schreib ich mal die kurze Version meiner Story:
Ich, männlich, 26, machte mit 18, 19 zum ersten Mal mit einer Handvoll Panikattacken Bekanntschaft aufgrund von übermäßigem Alkoholkonsum. Das festigte sich und blieb mir inform von Angstzuständen ca 6 Wochen erhalten. Fehldiagnose damals: Depression. Dieser Begriff hat sich eingebrannt bei mir.
Danach war es weg, klar, hier und da klopfte in den nächsten 2 Jahren mal ein Zweifel Gedanke an, weil der Zustand damals war der Horror, doch Panik etc hatte ich nie wieder.
2015 bekam ich nen kleinen Anflug von Angst vor der Depression. Erzählte dem Arzt was von antriebslosigkrit, da ich die gegoogelt habe, der diagnostizierte mir nach 5 Minuten eine Depression und ich war am Boden. Heute weiß ich, dass ich nie depressiv war.
Die Phase verflog nach ein paar Wochen weil bei mir ein Vitamin-D Mangel Festgestellt wurde und ich hatte einen Grund gefunden.
Danach war wieder alles weg, bis ich mir Ende 2015 kurz wieder eine Depression einbildete. Ein Arzt sagte das sei Schwachsinn und ich war zufrieden.
Im Sommer 2016 ähnlich, dann wieder alles gut bis 2017, da war es extremer, hatte Angst vor der Depression und war überzeugt davon, sie zu haben. Meine Therapeutin redete sie mir erfolgreich aus.
Dann alles gut bis jetzt. Mir geht es seit 2 1/2 Wochen schlecht. Zuerst wieder Angst vor Depression oder panikzustände wie damals, jetzt hat sich die Angst gewandelt und ich habe Angst vor Zwangsgedanken und nie wieder was anderes denken zu können. Bin nur durch Google auf den Begriff zwang gestoßen und jetzt bilde ich mir ein, ich habe Zwangsgedanken, da ich einfach dieses fiese nagende Gefühl verspüre. Denke ja fast ununterbrochen nach, ob ich jetzt an Zwangsgedanken leide. Richtig komisch.
Meine Therapeutin sagt das sind Angstgedanken, doch kann ich’s nicht richtig glauben, abartig. Habe wirklich Angst davor, dass dieser Zustand nicht mehr weggeht...meine Therapeutin sagt, ich soll einen faktencheck machen: ich wäre ein sehr untypischer zwängler doch ich wollte mit betroffenen reden, was meint ihr dazu ? Ich habe zwischen diesen Phasen regelmäßig monatelang Ruhe.
Gruß
Miranda_L

Re: Angst vor Zwangsgedanken

Beitrag von Miranda_L »

Hallo Zinal und
Herzlich Willkommen im Forum.

Ja es stimmt schon, auf den ersten Blick hört sich das was du erzählst erstmal nicht so typisch für Zwangsgedanken an.
Aber ... Zwänge kommen auch in den unterschiedlichsten Verkleidungen daher.
Da gibt es diese Ticks, die einen dazu bringen, bestimmte Rituale wie beispielsweise nur auf die Zwischenräume von Bodenfliesen zu treten, oder Tätigkeiten eine bestimmte Anzal Male durchzuführen, oder Ähnliches, ohne dass der Betroffene weiss, warum er das eigentlich tut. Es fühlt sich einfach besser bzw. sicherer an, es auf diese Weise zu tun.
Dann gibt es Rituale, die aufgrund von Ängsten durchgeführt werden. Diese Ängste können 'magisch' sein, also gar keinen realistischen Bezug zur Realität haben, aber sie können auch real, aber sehr sehr unwahrscheinlich sein, wie die Ansteckung mit einer bestimmten Krankheit.
Diese Ängste können das eigene Wohlbefinden, aber auch das von Anderen betreffen und sie können auch ganz ohne kompensierendes Ritual auftreten.
Das könnenn z.B. auch religiöse Ängste wie die Angst, dass man ungewollt mitten in der Kirche blasphemische Dinge rufen könnte oder die Angst, sich selbst oder andere verletzen zu wollen oder es unbeabsichtigt schon getan zu haben.
Auch Ängste, homosexuell oder pädophil zu sein, können Ausdruck einer Zwangsstörung sein.
Zu den Ritualen bzw. Zwangshandlungen kann auch das Ausreissen von Haaren oder das Aufkratzen von Mückenstichen und Pickeln gehören. Oder das immer wieder wiederholte Waschen der Hände.
Es kann sein, dass das Gefühl aufkommt, Aktionen nicht richtig oder nicht fertig ausgeführt zu haben, obwohl man es eigentlich getan hat.

Gemeinsam haben all diese Beispiele, dass ein die Gedanken eines Zwangskranken sich wie ein Karussell um eine bestimmte Sache drehen, diese aber nicht loslassen können, und sei sie noch so unwichtig.
Es ist sehr schwierig, erscheint dem Betroffenen vielleicht sogar unmöglich, diesen Kreislauf zu durchbrechen und das Thema, um das sich seine Gedanken kreisen, als 'Unwichtig' abzutun.
Stattdessen kommt es häufig zu Vermeidungsverhalten. Bei Ängsten, die sich um Kontamination drehen, kann das dazu führen, dass der Betroffene sich immer wieder wäscht, obwohl er weiss, dass das eigentlich absurd ist.
Das ist auch noch eine ganz typische Sache, die mit Zwängen Hand in Hand geht. Ein Betroffener weiss in der Regel, dass die Gedanken unbegründet und die Ängste total übertrieben sind. Er weiss auch, dass die Handlungen, die ergegebenenfalls durchführt, eigentlich sinnlos sind. Trotzdem kommt er da nicht raus.

Ob sich deine Ängste so anfühlen, kannst nur du beurleilen.

Aber ich kann dir eines sagen: Davor, eine psychische Krankheit zu haben, braucht man keine Angst zu haben. Entweder es ist so, oder es ist nicht so. Und wenn es so ist, dann muss man es halt annehmen, denn verhindern kann man es eh nicht mehr. Dann setzt man sich mit dem Thema auseinander um auf eine Genesung hinarbeiten. Die Hilfe eines Therapeuten ist hier eine gute Idee.

... Und wenn du jetzt nickst, die Aussage für sinnvoll hältst, und dein Gehirn trotzdem nicht davon abbringen kannst, vor Zwangsgedanken und einer Depression Angst zu haben, dann kann es vielleicht wirklich sein, dass du mit Zwängen zu tun hast.
Meine Therapeutin sagt, dass die Grenze zwischen Angststörung und Zwansstörung fließend ist. Deswegen bin ich ein wenig verwundert, dass deine Therapeutin diese Möglichkeit für so unwahrscheinlich hält.

Auch der Umstand, dass du zwischen den Ängsten lange Ruhephasen hast, ist gar nicht so seltsam. Psychische Probleme melden sich gerne mal zurück, wenn plötzlich das Stresslevel einen bestimmten Punkt überschreitet.

Wenn du dich weiter informieren möchtest, schau doch mal in den Thread Literatur und Youtube. Hier haben die Mitglieder die Bücher und Filme gepostet, die ihnen weitergeholfen haben.

Solltest du mit Zwängen zu tun haben, ist das nicht so schlimm, wie es sich für dich wahrscheinlich erstmal anfühlt. Zwänge sind gut behandelbar und man kann da Schritt für Schritt wieder herauskommen.
Dass dich deine Therapeutin im Moment gegen Ängste und nicht konkret gegen Zwänge behandelt, ist selbst wenn es Zwänge sein sollten, meiner Meinung nach nicht schlimm. Wenn man die Angst bewältigt, die einen Zwang trägt, bekommt man auch den Zwang selbst besser in den Griff.
Mag sein, dass ich mich irre, aber so einen großen Unterschied würde ich auch zwischen der Therapie bei Zwang und der bei Angst gar nicht erwarten.

Alles Gute
Miranda
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OCD-Marie
Beiträge: 262
Registriert: Di 17. Apr 2018, 19:44

Re: Angst vor Zwangsgedanken

Beitrag von OCD-Marie »

Hallo Zinal,

ja, auch die Angst vor einer psychischen Störung kann selbst bereits eine psychische Störung sein. Google doch mal nach Hypochondrie (im englischen zutreffender auch als "Illness Anxiety Disorder" bezeichnet)...

8-)
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michael_m
Beiträge: 613
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Angst vor Zwangsgedanken

Beitrag von michael_m »

Miranda hat ja bereits eine wirklich sehr schöne Erklärung bzgl. Zwangsstörung geschrieben!

Wie auch schon erwähnt wurde, sind die Grenzen teilweise fließend. Ich selber (bin Betroffener bzgl. Zwängen) habe auch manchmal vor möglichen Krankheiten Angst. Ich würde mich nicht als Hypochonder ansehen, aber einen gewissen Hang habe ich schon auch dazu. Aber die Ängste dabei sind denen von Zwangsgedanken gar nicht so unähnlich: Die Angst, dass man aufgrund einer nicht durchgeführten Untersuchung/Abklärung sein Leben lang mit einer Krankheit zu kämpfen hat bzw. mit deren Folgen.
Ich würde bei mir sagen, dass ich diese Ängste trotzdem gut im Griff habe, aber solche Gedanken kommen schon immer mal wieder hoch bei mir.

Sollte es sich bei dir um eine Zwangsstörung handeln, scheint es aber (soweit man das überhaupt als "Laie" und über die Ferne beurteilen kann) um eine relativ milde Form der Zwangsstörung zu handeln. Und Zwänge lassen sich gerade am Anfangsstatus gut behandeln.

Ob es jetzt bei dir Zwangsgedanken sind, eine Angststörung oder eine Hypochondrie ist, ist doch letztendlich relativ egal. Dich belastet diese Angst und da geht es darum dort anzusetzen. Aber hierbei kann dir dann bestimmt deine Therapeutin bessere Tipps/Ratschläge dazu geben, wie du die Angst einfangen kannst.
Zinal

Re: Angst vor Zwangsgedanken

Beitrag von Zinal »

Danke für eure ausführlichen Antworten.
Also es ist wahr, dass ich zur Zeit einen hohen Leidensdruck habe. Kenne das in der Form nicht und ich hab das Gefühl, meine Therapeutin spielt das einfach so herunter, nimmt mich evtl. nicht für ganz ernst, Wie es mir geht.
Miranda, solche Dinge denke ich nicht, wie du beschreibst. Solche Rituale etc hab ich nicht, bei mir dreht sich seit 2 Wochen einfach alles darum, ob ich eine Depression bekommen könnte , was mir mittlerweile egal wäre und ob ich Zwangsgedanken habe. Natürlich kreisen diese bei mir ununterbrochen um dieses Thema. Habe am meisten Angst, dass dieser Zustand nie wieder verschwindet.
Ich hatte Monate, jahrelang Ruhe und jetzt ist das in dieser Intensität zurück, die ich nicht kannte. Möchte das los haben, kann mir da jemand Mut machen, dass ich da zeitig wieder raus komme? Der Zustand ist unerträglich. Ununterbrochen Angst davor, nicht mehr rauszufinden. Ätzend.
Und klar, wenn man sich ununterbrochen damit beschäftigt und Angst hat ist das natürlich eine art zwang...
Miranda_L

Re: Angst vor Zwangsgedanken

Beitrag von Miranda_L »

Hallo Zinal,

wenn man eine Zwangsstörung hat, bedeutet das nicht, dass man alle Probleme, die ich beschrieben habe, hat. Man kann nur en einziges, oder ein ähnliches Problem haben.
Typisch für eine Zwangserkrankung ist vor allem das Gedankenkarussell, das ich beschrieben habe und das sich auf alle möglichen Ängste, aber auch auf andere Gedanken und Phantasien beziehen kann (nicht muss).

Und hier jetzt der Part, der dir Mut machen soll :):
Da du beschreibst, dass diese Ängste bei dir nicht immer im Vordergrund stehen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie wieder abnehmen, oder auch verschwinden, wenn dein Stress sich abbaut.
Es ist generell immer eine gute Idee, Stressfaktoren in seinem Leben so gut es geht zu reduzieren, da diese auf Dauer auch gesunden Menschen schaden kann.
Wenn man sowieso schon eine gewisse psychische Belastung hat, ist Stress natürlich sehr viel ungesünder.
Zusätzlich könntest du versuchen, dein Leben, wie du es jetzt führst (unbeachtet der Ängste), mal aus der Sicht eines Aussenstehenden zu betrachten und dir überlegen, was dieser an deinem Leben seltsam, anstrengend, oder gar als unhaltbar erkennen würde.

Psychische Probleme tauchen in der Regel nicht einfach so auf, um uns zu ärgern. Sie sind meiner Meinung nach eher so etwas wie ein Hilferuf des Unterbewusstseins, der uns klar machen will, dass da generell irgendwas schief läuft was nicht gesund für uns ist.
Oftmals nehmen wir selbst diese Probleme gar nicht mehr als Problem war, weil sie normal für uns sind. Ein Aussenstehender würde aber vielleicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

Meiner Erfahrung nach, wirkt sich allein das aktive Angehen solcher Probleme sehr positiv auf die Ängste und Zwänge aus.

Was für eine Art von Therapie machst du eigentlich? Geht das eher in die verhaltenstherapeutische Richtung, oder eher eine Gesprächstherapie, oder etwas ganz anderes?

Liebe Grüße
Miranda
Zinal

Re: Angst vor Zwangsgedanken

Beitrag von Zinal »

Hey miranda,
Das bedeutet ja eigentlich, dass jeder mit Angststörung auch eine gewisse Art zwang hat, da man sich ja auch ununterbrochen mit sorgen beschäftigt, oder?
Vor einer Depression hab ich keine Angst mehr, die hat mir meine Therapeutin neulich genommen indem sie mir die Fakten vor Augen gehalten hat und das hab ich auch erfolgreich geschluckt.
Nur vor dem zwang, das ist so eine Sache. Darüber zerbrechen ich mir den Kopf und logischerweise ist das ja eine art „zwang“ wenn man immer drüber nachdenkt. Aber so die klassischen Zwänge oder Gedanken wie anderen etwas an zu tun oder waschen etc hatte ich noch nie.
Ich will dass diese Phase so schnell wie möglich verschwindet.
Nehme zur Zeit 37.venlafaxin, seit März bin ich auf der niedrigsten Stufe und war stolz wie Oskar, dass ich’s nach Jahren geschafft habe endlich da unten anzukommen und das Zeug bald loszuwerden, doch jetzt bin ich an dem Punkt, dass ich alles schlucken würde, dass es mir wieder besser geht.
Also vor dieser Phase jetzt hatte ich ca. 1 1/2 Jahre komplette Ruhe, ohne irgendeinen Gedanken an etwas zu verschwenden. Führe das auch jetzt auf meine Lebensumstände zurück: vor nem halben Jahr bei der ex ausgezogen, wieder zu den Eltern, Fernstudium läuft zwar ganz ok, aber mein Freundeskreis hat sich aufgelöst, allgemein recht unzufrieden mit dem Leben.
Trotzdem nervt mich diese Phase. So eine Intensität hatte sie zuletzt 2012. damals ging es ca 8 Wochen, 2015 und 2017 war es harmlos und dazwischen immer mal in großen Abständen ein, 2 Tage harmlose Gedanken.
Zinal

Re: Angst vor Zwangsgedanken

Beitrag von Zinal »

Ich habe von 2017 bis 2018 eine Verhaltenstherapie gemacht. Diagnose lautete: panikstörung.
Zwang hat mir zwar noch nie jemand diagnostiziert, aber ich denke ja, das gehört wohl irgendwie dazu zu einer Angststörung.
Miranda_L

Re: Angst vor Zwangsgedanken

Beitrag von Miranda_L »

Vielleicht kannst du mit dem Buch

"Keine Panik liebe Angst" von Käthe Lachmann

etwas anfangen. Da erzählt eine Comedian, wie sie Stück für Stück aus ihrer Angststörung wieder rauskommt.
Das ist vor allem, im Gegensatz zu vielen Fachbüchern, sehr kurzweilig.
Zinal

Re: Angst vor Zwangsgedanken

Beitrag von Zinal »

Hey miranda

Danke für den Tipp. Ich denke, das Buch sollte ich mir mal genauer ansehen. Habe bisher nur das von Klaus Bernhard gelesen, das jedoch eher nur für panikpatienten gedacht ist.
Habe jetzt in den letzten Wochen mit 3 unabhängigen Ärzten gesprochen, von denen mir 2 eine hypochondrische Angst und eine, die mich seit ca 3 Jahren gut kennt, eine panikstörung diagnostiziert haben. Denke das ist ja alles in etwa das gleiche. von Zwang hat niemand gesprochen, doch ist das ja alles relativ. Klar kann man zu ununterbrochenen sorgen über mögliche Krankheiten auch zwang sagen, genauso wie man das Hypochonder nennen kann.
Nur solche klassischen Zwangsgedanken, ich könnte wen überfahren haben, könnte jemandem was antun, etc, hatte ich noch nie. Bei mir ist das alles ja auch nur phasenweise, wobei es mir nach dem letzten Gespräch mit der Ärztin, die deutlich verneinte, als ich sie nach zwang gefragt habe, schon viel besser geht.
Wenn ich in mich rein höre merke ich einfach eine große unterschwellige Angst, diecsich im Abstand von Monaten immer wieder mal mehr mal weniger zeigt.
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