Waschzwang - was tun?

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commainz
Beiträge: 2
Registriert: Mo 1. Feb 2021, 18:41

Waschzwang - was tun?

Beitrag von commainz »

Hallo,

meine Tochter hat einen Waschzwang entwickelt, welche Sie seit Mitte des letzten Jahres massiv einschränkt. Sie lebt überwiegend allein,
Eine Ausbildung kann nicht gesucht und begonnen werden, Essen geht nur noch über Pizzadienst bzw. Baby-Gläschen und anderes, was nur der Mikrowelle bedarf. Die Küche wird nicht angefasst, weil "schmutzig", das Bad, Flure etc. werden oft geputzt, aber gleichzeitig sind sie dreckig, weil sie nur noch mit Straßenschuhen herumläuft, weil alles andere unhygienisch sei. Die Toilette ein Grauen, weil die Spültaste ja unrein ist.
Sie lässt sonst vieles liegen, geht Terminen nur zeitweise nach, hat sonst jetzt nicht mehr viel zu tun. Treffen mit Freunden gab es nur wenige, mit Corona ist auch das vorbei. Eine richtige psychologische Betreuung hat noch nicht begonnen, sie steht noch auf einer Warteliste. Einen Klinikbesuch lehnt sie ab, da er ja doch nichts bringe. Sie bekennt sich zu ihrer Krankheit, aber setzt alles auf die eine offene Karte, ohne da nachzuhaken. Gleichzeitig möchte sie sich sonst nicht helfen lassen. Ihre Mutter ist vor Jahren verstorben und hatte alles für sie getan, aber auch nie etwas eingefordert. Für mich kein Problem, nur unter den aktuellen Umständen aus meiner Sicht ein Desaster, weil jetzt alle schrittweise gewonnene Selbstständigkeit zerrinnt. Ich habe Mitleid und Wut, kann aber kaum was tun, außer Verständnis zu zeigen, gleichzeitig aber auch die Realität anzusprechen. Und die heißt, es geht nichts mehr. Schule vorbei, keine Arbeit, keine Selbstorganisation, kein Verantwortungsgefühl sich selbst gegenüber. Andere haben die Schuld an ihrer Situation und nun ist halt auch noch die Krankheit da - deswegen geht nichts und müsse mal halt warten.
Auf was, bleibt unklar. Eine mit ihr befreundete Psychologin telefoniert hier und da mit ihr und versucht, sie aufzufangen. Sie meint, man müsse hier Einfühlungsvermögen zeigen, versuchen, das Selbstwertgefühl fördern und sie für auch kleine Erfolge loben. Kritik, Forderungen etc., Druck, all das wäre jetzt nicht hilfreich und könne nur noch dazu führen, dass es schlimmer werde. Sonst hat sie aber auch nichts anzubieten außer doch mal zu überlegen, ob in dieser Situation eine Klinik - oder erstmal die Eintragung in eine Warteliste - sinnhaft und möglich wäre.
Da meine Tochter über 18 ist, bekomme ich auch keine Auskunft über das ob, wann und wie der anstehenden ambulanten Therapie. Für mich brennt da der Kittel, um es mal so auszudrücken, weil es mir weh tut, sie so zu sehen, aber gleichzeitig zu hören, es wäre halt so und ich solle Verständnis zeigen.
Ja, tue ich, aber heißt das denn jetzt, nur noch zuzusehen? Sie wohnt in unmittelbarer Nähe von mir in meinem Haus, weil sie nie zu meiner neuen Partnerin mitziehen wollte, wofür ich auch Verständnis habe. Eine Haushaltshilfe musste ich kündigen, weil für sie Bad und Wäsche tabu waren. Wäsche darf ich nicht waschen, weil ich sie nicht anfassen darf. Mein Haus darf ich nur noch mit ihrem Widerwillen betreten, weil ich ja Türklinken und Böden berühre. Gleichzeitig will sie da raus, weil sie an nichts mehr ran geht und es daher ungemütlich ist. Jetzt habe ich einen Sozialdienst beauftragt, ihr zweimal die Woche für 2 Stunden Hilfe zur Selbsthilfe angedeihen zu lassen, einem "Dritten", der nicht vorbelastet ist. Mal sehen, wie das läuft. Richtig schlafen kann ich nicht mehr, weil ich immer an bessere Zustände denke. Ich würde mir wünschen, Sie ginge ihren Weg, wie auch immer, würde sich helfen lassen, wo nötig, und so Schritt für Schritt weiter erwachsen zu werden. Im Moment sehe ich sie aber nur stehend, und bin frustriert. Gerne würde ich nach Kliniken schauen, nach einer Auszeit für sie, nach einer Aufgabe, was immer die sein könnte. Aber mit dem Hinweis, bloß keine Zwänge oder Kritik auszuüben, mich nicht einmischen zu sollen, lediglich Verständnis zu zeigen, habe ich ein echtes Problem. Besser wäre es aus meiner Sicht, solange Alternative A nicht klar ist, für eine Alternative B und C zu sorgen, sprich andere Therapeuten anzusprechen, über den Hausarzt zu versuchen, mal in die ein oder andere Warteliste einer Klinik zu kommen. Diese unselige Kombination von Krankheit, Stur- und auch Faulheit (sorry) ist jetzt fatal. Wie komme ich jetzt zu einem motivierenden Schluss und einer Erwartung an mich? Nun, das wäre der Wunsch zu verstehen, was in dieser Situation geboten und zu unterlassen ist, wo Grenzen zu stecken Sinn hat oder nicht, welche Möglichkeiten es gibt, sie zu motivieren, etwas für sich zu tun.
So, erstmal danke für jeden, der bis hierhin gelesen hat. Wer hierzu was schreiben möchte, gerne. Ich mag meine Tochter sehr, auch wenn sie sehr eigen ist, und das hier vielleicht nicht rüberkommt. Wäre das mit dem Waschzwang nicht, würde ich versuchen, sie in eine eigene kleine Wohnung oder besser WG zu bewegen, sich eine Lehrstelle zu suchen oder ein soziales Jahr zu absolvieren, um zu lernen und zu reifen. Aber, der Gedanke war da und ging ganz schnell wieder, etc..
Liebe Grüße
Peter
AlpenFreund
Beiträge: 9
Registriert: So 6. Dez 2020, 13:42

Re: Waschzwang - was tun?

Beitrag von AlpenFreund »

Hallo Peter,

das was du beschreibst ist mir in Teilen nicht unbekannt. Bei mir ist es die Partnerin die einen Zwang hat. Zuletzt hatte Sie auch eine ähnlich Phase wie du Sie beschreibst, wobei Sie Vollzeit arbeitet. Aber der Zwang hat sie zeitweise gelähmt, sie hat nichts geschafft und gleichzeitig darüber gemeckert. Zum Schluss hat Sie selbst erkannt, das sie zwingend wieder professionelle Hilfe benötigt. Zwischenzeitlich kämpft Sie wieder wie eine Löwin und man sie kleine aber feine Schritte. Ich denke deine Tochter benötigt auch zwingend Hilfe und das muss sie selber erkennen und wollen. Leider sind die Therapieplätze für gesetzlich Versichertenoft mit langen Wartezeiten verbunden, vielleicht wäre eine schnellere Hilfe als Privatzahler möglich, vorausgesetzt deine Tochter ist dazu bereit.
commainz
Beiträge: 2
Registriert: Mo 1. Feb 2021, 18:41

Re: Waschzwang - was tun?

Beitrag von commainz »

Hallo,
vielen Dank für die Antwort, welche ich erst heute gelesen habe. Die Zeit verfliegt leider sehr schnell, und ja, heute ist es nicht anders als vor einigen Wochen, eher schlimmer, weil sie alles tut, um nichts zu tun - außer auf die eine Therapie zu warten, auf deren Warteliste sie steht. Sie geht nicht mehr aus dem Haus, isst (fast) nur noch Pizza, vermeidet alles anzufassen, was andere eventuell angefasst haben könnten, lässt Licht brennen, um die Schalter nicht benutzen zu müssen - etc.. Eine Klinik wäre dringend notwendig, aber ich kann sie dort weder anmelden noch sie bewegen, mal mit denen zu telefonieren, um zumindest mal auf eine Warteliste zu kommen. "Privat" wäre möglich, wenn erforderlich, aber bei fehlender Einsicht muss es offenbar noch weiter runter gehen, bevor diese Option möglich wird. Mir tut es halt weh und ich versuche, sie jetzt noch mehr in Ruhe zu lassen, wenngleich mir das schwer fällt. Gleichzeitig sage ich ihr aber auch, was ich beobachte, und fordere sie auf, für sich Verantwortung zu tragen - sie nimmt es zur Kenntnis, bewegt sich aber nicht. Da kommt einiges zusammen...
Viele Grüße, halten wir mal gemeinsam die Ohren steif.
AlpenFreund
Beiträge: 9
Registriert: So 6. Dez 2020, 13:42

Re: Waschzwang - was tun?

Beitrag von AlpenFreund »

Hi Peter,

ich kann es voll und ganz verstehen, dass Dir das Leid deiner Tochter auch zusetzt. Mir geht es da nicht anders, bei mir schlägt es sich gefühlt mittlerweile auf meine Gesundheit nieder. Ich habe seit Wochen Probleme mit dem Magen. Ich reagier zwischenzeitlich auf das laufende Wasser im Bad, wenn sich meine Partnerin die Hände wäscht sehr angespannt. Und in mir steigt die Frage auf, wie lange ich dem noch Stand halten kann und will. Mal schauen wie es weitergeht, heute hat Sie wieder ein Zwischenfall aus der Bahn geworfen.
Also, halt die Ohren steif und bleib stark!
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