ungewöhnliche (?) und sehr quälende Gedanken

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Gedankenkarussell
Beiträge: 4
Registriert: Sa 23. Okt 2021, 23:25

ungewöhnliche (?) und sehr quälende Gedanken

Beitrag von Gedankenkarussell »

Hallo!
 :)
Ich erkläre kurz meine Vorgeschichte, dann ist mein Anliegen vielleicht verständlicher. Ich habe schon seit meiner Kindheit mit Zwängen zu tun, sowohl gedankliche als auch Zwangshandlungen. Ich konnte irgendwann einordnen, um was es sich handelt, und wusste auch - durch Therapie etc. - was ich tun kann. Im Großen und Ganzen habe ich die Sache auch im Griff. Aber in stressigen Phasen wird es schlimmer. Jetzt ist so eine stressige Phase. Ich hatte im Sommer viele Prüfungen und habe viele Lern-Nachtschichten eingelegt. Währenddessen habe ich zwar gemerkt, dass ich gestresst bin, aber es ging alles ganz gut. Jetzt habe ich die Prüfungen hinter mir und eigentlich sollte der Stress ja abfallen. Aber kurz nach Abschluss der letzten Prüfung ging es los. Mein Horror-Zwangsthema, das ich von früher schon kenne. Ich hatte auch vor vielen Jahren schon einmal eine Phase, in der es mich fast verrückt gemacht hätte. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie es damals weggegangen ist. Es ist ein bisschen schwierig, es zu erklären… Ich habe Angst (teilweise fast panische Angst) davor, Dinge nicht mehr zu können, weil ich darüber nachdenke, ob ich sie kann. Ich beobachte mich quasi ständig bei dem, was ich tue. Am schlimmsten finde ich den Gedanken, nicht mehr zu verstehen, was jemand sagt. Bzw. nicht mehr „automatisch“ zuzuhören, sondern mich die ganze Zeit über zu fragen, wie viel von dem, was erzählt wird, ich wirklich bewusst aufnehme. Normalerweise macht man sich ja gar keine Gedanken darüber und ich glaube, dadurch, dass ich das tue, verstehe ich wirklich teilweise weniger. Ist ja auch klar, weil meine Hirnkapazität eingeschränkt ist. Ich stelle mir das immer auf neuronaler Ebene vor und habe schreckliche Angst, dass sich die „Bahnen“ so verfestigen, dass es mir der Zeit immer schwieriger bis unmöglich wird, sie wieder zu „löschen“. (Ich hoffe, es ist verständlich, was ich schreibe.) Ich habe dieses blöde „Selbstkontrollverhalten“ momentan (so seit ca. drei Wochen) ständig und steigere mich teilweise fast in eine Art Panik hinein. Außerdem bin ich sehr traurig, weil ich einfach wieder „automatisch“ leben will und mich nicht ständig beobachten. Ich habe Angst, dass es sich ausweitet. Dass ich ständig auf meinen Atem achten muss, auf eine tickende Uhr, dass ich nicht mehr schlafen kann, weil ich mich beim Einschlafen „beobachte“ u.s.w.. Dass ich im Auto nicht mehr einfach Radio hören kann, sondern mich die ganze Zeit frage, ob ich (automatisch) verstehe, was zwischen den Liedern gesagt wird. Dass ich nicht mehr einfach so einen Film schauen kann, dass ich nicht mehr „einfach so“ ein Buch lesen kann (das geht tatsächlich seit dieser 1. Phase nicht mehr automatisch).
Ich habe schon mit meiner Psychotherapeutin darüber gesprochen. Ich habe noch Reststunden bei ihr und habe direkt eine genutzt. Sie meinte, ich soll versuchen, dem Ganzen mit Achtsamkeit zu begegnen, also es nicht zu bewerten, sondern als gegeben hinzunehmen und den Gedanken dadurch weniger Beachtung zu schenken. Das leuchtet mir ein und an sich finde ich diesen Ansatz auch sehr gut, aber meine Gedanken kontrollieren mich irgendwie so sehr, dass ich es nicht schaffe. Mein Kopf fühlt sich so voll an, als würde er jeden Moment platzen. Ich bin extrem angespannt. Ich mache viel Sport (was mir auch gut tut), versuche, mich im Alltag zu entspannen (Sauna, Massage etc.), aber das bringt momentan wenig bis gar nichts. Ich habe so Angst, dass es nicht mehr weg geht. War auch schon beim Psychiater, den ich noch von früher kenne. Ich habe früher mal Trevilor genommen, aber war mir nie so sicher, ob es hilft. Stehe Antidepressiva auch eher skeptisch gegenüber und die Wirksamkeit ist ja auch tatsächlich nicht so gut belegt. Daher habe ich jetzt ein Rezept hier liegen und möchte es aber eigentlich nicht einlösen.

Das zu meiner Geschichte. Kennt jemand etwas Ähnliches und kann mir Mut machen?
Viele Grüße
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Yoli
Beiträge: 85
Registriert: Mi 22. Sep 2021, 12:07

Re: ungewöhnliche (?) und sehr quälende Gedanken

Beitrag von Yoli »

Hallo Gedankenkarussell,
Du bist nicht allein, auch wenn sich das vielleicht so anfühlt - dass du jetzt so eine herausfordernde Phase hast, macht sicher sehr viel Angst und verunsichert dich. Das Gefühl, dass der Kopf so voll ist, als würde er platzen, die Traurigkeit, die Anspannung, das kenne ich auch alles. Übrigens auch, dass der Zwang sich nach einer richtig anstrengenden Phase, als eigentlich die lang ersehnte Erholung anstand, bemerkbar macht.
Ich persönlich finde die Podcasts von the OCD Stories richtig gut, alle Folgen mit Dr Steven Phillippson haben mir so viele Informationen gebracht (ich glaube, da gibt es auch eine Folge zu somatic OCD) und auch hilfreiche Ansätze für meinen Alltag mitgegeben.
Ich schicke dir ganz viel Kraft und Energie und Hoffnung.
Gedankenkarussell
Beiträge: 4
Registriert: Sa 23. Okt 2021, 23:25

Re: ungewöhnliche (?) und sehr quälende Gedanken

Beitrag von Gedankenkarussell »

Hallo Yoli!
Danke für deine liebe Nachricht. Ja, es macht wirklich viel Angst, wie ich ja schon berichtet habe. Vielen Dank auch für den Podcast-Tipp. Ich kannte den schon vom Namen, hatte aber noch nicht reingehört. Bei der Vorstellung, etwas zu meinem Problem zu hören, kommen natürlich sofort wieder die blöden Gedanken, dass ich davon nichts (automatisch) verstehen werde bzw. dass ich mich die ganze Zeit total darauf konzentrieren werden muss. :? Aber wahrscheinlich ist es deshalb umso wichtiger, das zu tun... Oder? Ich bin mir auch oft so unsicher, ob ich mich eher ablenken sollte oder mich der Sache "stellen".
Viele Grüße!
PS.: Und es hilft immer wieder zu hören, dass ich nicht alleine bin, obwohl ich solche Gedanken natürlich niemandem wünsche.
downtherabbithole
Beiträge: 206
Registriert: Sa 7. Nov 2020, 21:10

Re: ungewöhnliche (?) und sehr quälende Gedanken

Beitrag von downtherabbithole »

Hallo,

du solltest dich der Sache stellen.
Wleche Form der Therapie hast du gemacht?
In der Verhaltenstherapie würdest du dich auch der Sache stellen und nicht dich ablenken. Wenn du dich ablenkst zeigt das deinem Gehirn eigentlich nur, dass die Angst berechtigt ist und es wird immer schwerer sich der Sache noch mal zu stellen.
Ich soll mich bei meinen Konfontationen immer auf das Gefühl der Angst (des Ekels, der Wut etc.) konzenrtrieren. Also, wie fühlt sich das an. Es geht darum die Angst durchzuleben und zu merken, dass nichts passiert. Aber das erfordert natürlich Mut. Den Gedanken nicht zu bewerten gehört auch dazu. Für letzteres finde ich hilft Mediation und Achtsamkeit zu üben weil man dadurch denke ich lernt nicht so in Gedanken zu landen sondern im hier und jetzt zu sein. In der Akutsituation ist es aber extrm schwierig sich zu entspannen.
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Yoli
Beiträge: 85
Registriert: Mi 22. Sep 2021, 12:07

Re: ungewöhnliche (?) und sehr quälende Gedanken

Beitrag von Yoli »

ch sehe es wie downtherabbithole. Du stellst dich deinen Gedanken, indem du den Podcast anhörst - dabei achte aber auch darauf, nicht zu überprüfen, ob du verstehst (das scheint ja eines der Themen zu sein). Ich weiß, dass es wirklich Angst macht, sich dieser Situation zu stellen. Die Anspannung, so ist es bei mir, ist manchmal so hoch, dass ich denke, mein Kopf müsste explodieren. Es erfordert wirklich Mut, genau das zu machen, von dem dein Gehirn dir suggeriert, dass es ein riesiges Problem ist. Weichst du aus, vermeidest du oder führst sonstige Rituale aus, führt allerdings dazu, dass dein Gehirn denkt, es wäre gut dir weiterhin Warnungen (Zwangsgedanken) zu schicken. Leider leider leider gibts keinen anderen Weg als mittendurch. Du bist wirklich nicht allein.
Gedankenkarussell
Beiträge: 4
Registriert: Sa 23. Okt 2021, 23:25

Re: ungewöhnliche (?) und sehr quälende Gedanken

Beitrag von Gedankenkarussell »

Hallo downtherabbithole und yoli,

vielen, vielen Dank für eure Antworten. Es tut sehr gut, sich verstanden zu fühlen und zu merken, dass man nicht alleine ist.

ich habe schon eine recht klassische Verhaltenstherapie gemacht, habe aber auch Erfahrung mit... hm, ich würde mal sagen eher tiefenpsychologischer Therapie.
Ich will und MUSS mich der Sache stellen. Glücklicherweise ist es ja so, dass ich mich der Kommunikation mit anderen nicht entziehen kann (es sei denn, ich ziehe mich insgesamt total zurück, aber dazu bin ich viel zu gerne mit Menschen zusammen). Ich komme also automatisch immer wieder an den Punkt, mich der Angst zu stellen. Ich weiß grade nicht, ob ich es schon so formuliert habe, aber eigentlich habe ich gar nicht im Kern die Angst, etwas nicht zu verstehen. Ich weiß, dass ich alles verstehe, wenn ich mich konzentriere. Das Problem ist eher, dass ich mich beim "Verstehen" so extrem beobachte, dass ich nicht mehr automatisch zuhören kann. Wenn ich Radio höre und zwischen zwei Liedern wird etwas gesprochen, ist das für mich sofort ein "Trigger", wieder in diesen Beobachtungsmodus zu fallen. Wenn ich irgendwo eine Nachricht oder eine kleine Notiz lese genauso. Ich kann gefühlt nichts gegen diesen sich total aufdrängenden Gedanken machen, der quasi kontrolliert, ob ich alles verstehe, was ich höre oder lese. Dieser Gedanke lässt mich total verzweifeln und ich fange dann an zu grübeln, wieviel man eigentlich NICHT versteht, wenn man irgendwo "automatisch" zuhört, inwieweit ich durch meine Gedanken wirklich weniger verstehe, ob sie sich total festsetzen werden etc. :-(
Zum Thema Meditation und Achtsamkeit mache ich nächstes Wochenende ein Seminar an meiner Uni mit. Das ist ein wissenschaftliches Seminar, aber es geht auch darum, sich selbst in den Techniken zu üben. Ich bin gespannt und habe gleichzeitig natürlich auch da wieder Angst vor. Bzw. eigentlich nicht Angst, sondern es ist diese Verzweiflung, die mich überkommt, wenn ich mir vorstelle, nie wieder einfach etwas lesen oder irgendwo zuhören zu können, ohne mich dabei selbst ständig durch diese "Kontrollinstanz" zu stören. (Ich hoffe, es ist einigermaßen verständlich, was ich schreibe.)
Und Yoli, ich werde den Podcast jetzt immer auf dem Weg zur Uni hören (jetzt kommt auch schon wieder diese Verzweiflung, weil ich ihn interessiert hören möchte und nicht so mega angespannt... :-(...)

Danke euch beiden nochmal!
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