Ablehnung der Therapie

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Tina02
Beiträge: 2
Registriert: So 12. Dez 2021, 01:21

Ablehnung der Therapie

Beitrag von Tina02 »

Hallo,
mein Sohn (10 Jahre) leidet unter starken Zwangshandlungen. Er wird mittlerweile agressiv, beschimpft uns und zerstört Sachen. Wir wissen nicht mehr wie wir damit umgehen sollen. Er hat einen Therapieplatz, hat sich aber bis jetzt noch nicht der Therapeutin geöffnet. Eine stationäre Behandlung wurde uns Nahe gelegt.

Die letzten Tage war es so schlimm, dass wir ihn gegen seinen Willen ins Auto gebracht haben und in eine Ambulanz fahren wollten, aber wieder umgekehrt sind weil er völlig verzweifelt war und auf keinen Fall dort hin wollte. Nun hat er einen weiteren Grund uns zu hassen.

Wenn es allerdings so weiter geht, wird uns nichts anderes übrig bleiben. Er ist nur noch agressiv, bespuckt seine Schwester, schmeißt Sachen um sich.
Es bricht mir mein Herz ihn gegen seinen Willen wo hin zu bringen. Hat jemand so etwas schon erlebt bzw. was soll ich machen? Die Anfragen nach einem Platz in einer Tagesklinik sind mit Wartezeiten von mehreren Monaten beantwortet worden und beruhen ja auch auf der Freiwilligkeit des Kindes.
Hat jemand Erfahrung, wenn sein Kind sich mit Händen und Füßen gegen alles sträubt und hat eventuell noch eine Empfehlung für eine Klinik etc. Wir wohnen in Hessen. Was habt ihr für Erfahrungen mit Medikamenten. Ich hatte einen Termin bei einer Psychiaterin, da unsere Verhaltenstherapeutin keine Medikamente verschreiben darf. Sie meinte ein Medikament würde auch nicht wirklich helfen, dass er sich für eine Behandlung öffnet.

Vielen Dank!
Jessi
Beiträge: 284
Registriert: Fr 22. Mai 2020, 19:55

Re: Ablehnung der Therapie

Beitrag von Jessi »

Hey!

Zeugt dieses aggressive Verhalten denn von der Zwangsstörung? Also sind das auch Zwangshandlungen?
Zwangshandlungen führt man ja eher gegen seinen eigenen Willen aus und nicht mit boshaften Hintergedanken.
Ich kann diesbezüglich leider keinen guten Rat geben. Ich kann nur von meinen Erfahrungen sprechen, ich war während der Pubertät nämlich auch eher aggressiv gegenüber meiner Familie und völlig verschlossen zur Außenwelt. Bei mir lag es aber daran, dass dort vermutlich der Ursprung meiner Zwänge zu finden ist. Es waren demnach keine Zwangshandlungen sondern echte Abneigung.
Welche Ratschläge gibt denn die Therapeutin diesbezüglich?
Bei massiven Einschränkungen, wonach es sich ja anhört, würde ich auch zur Klinik raten. Er ist noch so jung und je früher man richtig behandelt wird, desto größer ist natürlich die Chance, dass er in seinem späteren Leben kaum noch Einschränkungen bemerkt.

LG Jessi
downtherabbithole
Beiträge: 205
Registriert: Sa 7. Nov 2020, 21:10

Re: Ablehnung der Therapie

Beitrag von downtherabbithole »

Hallo,

meine Therapeutin hatte mir ein Buch für meinen Partner empfohlen: Der Zwang in meiner Nähe von Michael Rufer und Susanne Fricke
Da gibt es auch mehrere Kapitel zum Thema Kinder und Zwänge. Es ist kann durchaus vorkommen, dass Zwangspatienten aggressiv werden, wenn man ihre Zwangshandlungen nicht mit ausführt und nicht mitmacht. Ich kenne das von mir selber auch, habe es aber erst in der Form seitdem meine Zwänge sehr stark sind. Ich weiß mir dann in der Situation manchmal nicht anders zu helfen weil ich so überreizt und ängstlich bin, als zB rumzuschreien oder zu schimpfen. Danach fühle ich mich richtig schlecht, weil das überhaupt nicht meinem Verständnis von einer guten und netten Beziehung entspricht und ich eigentlich auch nicht so bin.

Also wäre tatsächlich die Frage, wird er aggressiv wenn ihr ihm bei den Zwängen nicht helfen wollt oder anfangt mit ihm darüber zu diskutieren? Oder ist er allgemein aggressiv?

Wenn es zu heftig für euch wird, müsst ihr vielleicht auch therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, oder in eine Selbsthilfegruppe gehen.

Ich weiß nicht wie lange er schon zur Therapeutin geht, vielleicht braucht er etwas länger Zeit, vielleicht ist es aber auch nicht die richtige Person und ihr könntet versuchen, eine andere Therapeutin oder einen Therapeut zu finden.

Und wenn alle Stricke reißen, dann bleibt euch denke ich nichts anderes übrig, als ihn in eine Klinik zu bringen. Das ist ja auch keine gute Situation für eure ganze Familie. Und letzendlich helft ihr ihm am meisten indem ihr ihm alle professionelle Hilfe anbietet die es gibt. Auch wenn es dann vielleicht unfreiwillig ist. Auf lange Sicht hat Jessi nämlich recht: je eher er lernt mit seinen Zwängen umzugehen, desto besser.
Tina02
Beiträge: 2
Registriert: So 12. Dez 2021, 01:21

Re: Ablehnung der Therapie

Beitrag von Tina02 »

Vielen Dank für Eure Rückmeldungen. Ich schildere mal ein Beispiel. In einem Moment spielen wir noch ganz normal zusammen, dann fange ich an mit ihm z.B. über das Thema Schule zu reden. Was mittlerweile eines seiner Tabu Wörter in seiner Zwangswelt ist und er fängt sofort an mich zu beschimpfen und agressiv zu werden. Wenn ich dann das Zimmer verlasse, läuft er mir hinterher und wirft mit Sachen. Er sucht sich auch oft gezielt Gegenstände aus die einem etwas bedeuten oder wertvoll sind.
Mittlerweile ist es so, das er gar nicht mehr zu Hause sein mag. Er ist nur noch bei seinem Onkel. Hier hat er so eine Art Zufluchtsort wo er die Zwänge wohl noch einigermaßen kontrollieren kann. Zumal ist er in dem Glauben, dass dieser von seiner Krankheit nichts weiß. Alle Erklärungsversuche und Bitten und Flehen helfen bei ihm nichts. Er versteht nicht, dass er Hilfe annehmen muß und benutzt diese Zuflucht momentan auch als Druckmittel. Mein eigenes Kind schläft mittlerweile nicht mehr bei uns, ißt nicht mehr hier, will am liebsten nicht das Haus betreten. Es bricht mir das Herz.
Die Therapeutin rät uns auch dringend zu einem Klinikaufenthalt. Leider bleibt einem bei fehlender Freiwilligkeit nur die Psychatrie im jeweiligen Einzugsgebiet. Das wäre bei uns in Hessen Riedstadt. Hier wurde ich beim Anruf in der Ambulanz mit der Bitte um einen Termin trotz der Dringlichkeit recht unfreundlich abgewiesen und mir wurde gesagt das müßte über die Therapeutin laufen und dann würden wir auf eine Warteliste kommen. Zumal ich von Riedstadt keine besonders gute Empfehlungen gelesen habe. Bei allen anderen Kliniken etc .wird man abgewiesen weil die Behandlung auf der Bereitschaft/Freiwilligkeit des Patienten beruht oder eben nicht unser Einzugsgebiet ist. Kennt jemand vielleicht noch eine Privatklinik oder weiß sonst einen Rat oder hat eine Adresse? Habe heute auch bei der Schön Klinik angerufen die ja Zwänge spezialisiert ist, aber hier ist er wohl noch zu jung und es beruht eben auch auf Freiwilligkeit.
FeeBe
Beiträge: 20
Registriert: Mo 14. Mai 2018, 16:15

Re: Ablehnung der Therapie

Beitrag von FeeBe »

Hallo Tina,
dein Beitrag ist jetzt schon paar Tage her und vielleicht habt ihr schon eine Lösung gefunden vielleicht auch nicht . Deshalb antworte ich dir jetzt einfach trotzdem noch .
Ich kenne dieses aggressive von mir in dem Alter oder auch in der Pubertät noch . Ich habe nicht mit Sachen geworfen aber ich war auch so wütend wenn jemand wieder “was kaputt” gemacht hat indem z.b. irgendwas gesagt oder gemacht hat was meinen Zwang getriggert hat. Meine Mutter fand das damals ähnlich wie du sehr anstrengend. Ich fand das was ich tue mit dem Zwang als Kind endlos anstrengend aber und das ist das problem ich fand es auch sinnvoll . Kinder müssen ihr verhalten für die Diagnose ja nicht übertrieben finden.
Vielleicht geht es deinem Sohn ähnlich .
Bei mir kam der Wunsch nach Therapie mit 12-13 Jahren. Da hatte ich die Zwänge dann etwa 2-3 Jahre.
Leider gab es zu der Zeit in den spezialisierten Klinken keine Jugendstationen aber das ist hier ja nicht der Punkt denn für die Jugendabteilungen die meistens ab 14 ggf auch mal ab 12 aufnehmen ist dein Sohn eh zu jung und wie du schon sagtest nimmt ne psychosomatik ihn auch ohne Therapiemotivation auch nicht wirklich .
Da ist dann wirklich die KJP vor Ort zuständig. Die privaten Psychaitrien die ich kenne nehmen auch nur Patienten aus der Region oder bereits bekannte Patienten auf.
Vielleicht funktioniert eine Wohngruppe für ihn statt ner Klinik . Zu meiner Zeit war es sehr “beliebt”, dass z.b. die KJP in Göttingen die zumindest früher mit Zwänge viel gemacht hat die Kinder danach an Wohngruppen vermittelt hat . Leider kenne ich mich in der Ecke nicht aus welche Wohngruppe das war .
Ich kenne sowas zudem von mir aus Bayern für Essstörungen. Da ist ggf auch das Aufnahmealter etwas niedriger als in Jugendklinken.
Das Problem wird allerdings sein ein fremdaggressives Kind in eine Wohngruppe zu integrieren.
Eigentlich sollte in dem Fall die KJP vor Ort das Kind nicht ablehnen aber ich habe schon öfter gehört, dass es wegen Corona in dem Bereich massive Engpässe gibt und es ist auch die Frage wie das dann da laufen würde ob sie ihn dann vielleicht auf einer geschlossene Station unterbringen und ihn mit Beruhigungsmitteln zunpumpen .
Gibt es denn irgendwen der einen Zugang zu deinem Sohn hat . Ich glaub mir hätte es als Kind ziemlich geholfen wenn jemand mir das abgenommen hätte was ich mit den Zwängen verhindern wollte . Wenn ich gewusst hätte wenn das passiert was ich fürchte ist wer da und hilft mir anstatt böse zu sein .
Dann hätte ich diese furchtbar anstrengenden Zwänge ja nicht mehr unbedingt machen müssenund hätte nicht mehr so wütend sein müssen.
Wie gehts deinem Sohn denn jetzt ?
Lg FeeBe
Kathl
Beiträge: 4
Registriert: Mi 31. Jan 2024, 21:14

Re: Ablehnung der Therapie

Beitrag von Kathl »

Hallo,
wir sind zur Zeit in einer ähnlichen Situation.
Wie ist es bei euch denn weitergegangen?

Viele Grüße!
Kathl
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Antonia
Moderator
Beiträge: 181
Registriert: Di 20. Mär 2018, 21:40
Wohnort: Hamburg

Re: Ablehnung der Therapie

Beitrag von Antonia »

Hallo Tina!

Ich kann gut nach empfinden wie es euch oder eurem Sohn geht.
Jemanden gegen seinen Willen einzuweisen ist schwer, tut weh und macht Angst.
Aber, dass was Du schilderst, heißt wohl dass er in eine Klinik muss.
Es sollte aber eine Klinik sein, die sich mit Zwängen auskennen.
Darum melde Dich bitte bei uns, der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V..
Telefon 040 689 13 700 Mo-Fr. 10-12 Uhr.

Außerdem bieten wir seit drei Monaten eine Onlineselbsthilfegruppe für Kinder und Jugendliche an.
Das nächste Treffen ist am Fr. 23. Februar von 16 bis 17:00 Uhr.
Den Einwahl Link findest Du hier unter ANKÜNDIGUNGEN!
Außerdem findest Du auf unserer Webseite, www.zwaenge.de Zoom Interviews zum Thema Angehörige und Kinder und Jugendliche. Du findest die Interviews unter Aktuelles.

Weitere Literaturempfehlungen findest Du auch unter Literaturempfehlungen.

Liebe Grüße
Antonia.
Ich bin nicht auf der Welt, um so zu sein, wie andere mich haben wollen. ;)
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