Sinn und Funktion des Zwangs

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Yorge
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Forum Romanum

Beitrag von Yorge »

In deinem Beitrag steckt viel Wahres, danke dafür. Ich möchte noch etwas ergänzen, weil es ja eigentlich heißt Alle Wege führen nach Rom: Ich nehme mal an mit den 2 Wegen meinst du Psychoanalyse und Verhaltenstherapie. Was ist mit Achtsamkeit, (therapeutischer) Beziehung, Liebe, bedingungslose Wertschätzung,.. Ich meine es gibt einiges, was von den "klassischen" Therapien - bzw. vielleicht von allen "Therapien" im herkömmlichen Sinne- nicht ausreichend abgedeckt wird.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Miranda_L

Re: Forum Romanum

Beitrag von Miranda_L »

Yorge hat geschrieben: Sa 17. Aug 2019, 07:39 In deinem Beitrag steckt viel Wahres, danke dafür. Ich möchte noch etwas ergänzen, weil es ja eigentlich heißt Alle Wege führen nach Rom: Ich nehme mal an mit den 2 Wegen meinst du Psychoanalyse und Verhaltenstherapie. Was ist mit Achtsamkeit, (therapeutischer) Beziehung, Liebe, bedingungslose Wertschätzung,.. Ich meine es gibt einiges, was von den "klassischen" Therapien - bzw. vielleicht von allen "Therapien" im herkömmlichen Sinne- nicht ausreichend abgedeckt wird.
Hallo Yorge,

ja, du hast natürlich Recht.
Ich habe in meiner Argumentation nur die beiden Stränge betrachtet, die oft als gängige Therapien, aber nicht miteinander vereinbar, dargestellt werden und alles andere etwas aussen vor gelassen.
Ich bin ein großer Freund davon, Dinge auszurobieren und dann zu gucken, ob sie einem individuell helfen. Ich glaube auch nicht, dass es unbedingt notwendig ist, bei allen Therapeuten der unterschiedlichen Ansätze eine Therapie zu beginnen.
Viel erfolgversprechender scheint es zu sein, sich mit den Ideen, die dahinter stecken auseinanderzusetzen und sie individuell auf die eigene Situation anzuwenden.

Letztentlich kann ich als Betroffener nur sagen: Wenn es mir hilft, ist es gut! -- Ganz egal was die Lehrmeinug dazu sagt :)

Liebe Grüße
Miranda
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SHG
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Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von SHG »

Weil in einem anderen Thread (in einem sehr schönen Beitrag von Ulrike) gerade wieder mal von Funktion des Zwanges geschrieben wurde. Ich bemerke auch immer wieder, dass der Zwang nicht immer - überspitzt ausgedrückt - der Ursprung allen Übels sein muss. Dass die Problematik, die es vordergründiger und ev. auch nachhaltiger zu lösen gilt, eine andere sein kann und der Zwang kommt dann womöglich noch dazu und es kommt einen so vor, als ob er einen noch zusätzlich plagt. Es kann aber auch sein, dass er mit seiner "Funktion" mich auch in gewisser Weise zum Beispiel vor noch mehr Überforderung schützt oder eben auch anzeigt, dass ich besser auf mich achten sollte.
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SHG
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So geht‘s noch?

Beitrag von SHG »

Der Zwang stört - andere gleich mal (wenn wir ihn denn ganz offen ausleben würden) und uns selbst längerfristig auch. Wir hassen ihn oder gar uns - „Das Monster in uns“ - mitunter dafür. Es kann krankhaft sein - keine Frage. Aber wagen wir doch mal, ganz entspannt - ohne sofort: so werd ich ihn nie los! - einen anderen Blick darauf. Vielleicht bringt er uns ja doch was und deswegen ist er immer noch da oder kommt immer wieder daher. Mich schützt er wahrscheinlich indirekt vor noch mehr Überforderung oder vielleicht könnte ich sonst überhaupt gar nicht mal so richtig eigensinnig sein - und sicher ist es auch, glaub ich zumindest. Und langweilig ist‘s mit ihm auch nicht. So richtig angespannt sein - und dann was tun, das (scheinbar) Richtige - ganz engagiert, ganz genau, genau wissen was zu tun ist - und dann ist‘s wieder gut, so richtig gut, alles gut, jetzt passt es.
Bitte nicht als Vorwurf verstehen - ist ja nicht gut, dass wir das brauchen, weil man uns sonst garnicht mal auch in Ruhe lässt.
ChristianOCD
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Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von ChristianOCD »

Ich Frage mich, ob mich dieses ganze Analysieren des Zwangs überhaupt dem Ziel mit den Zwängen aufzuhören näher gebracht hat oder näher bringt?
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SHG
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Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von SHG »

Du kannst es ja mal probieren, diese Frage, von deinem Beitrag, soweit möglich, nicht versuchen zu beantworten.
ChristianOCD
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Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von ChristianOCD »

Grübeln, Sorgen und Analysieren hat mir nicht wirklich geholfen, geschweige denn gut getan. Wie ist das bei dir?
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SHG
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Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von SHG »

Sorgen um meine auch seelische Gesundheit indem ich darauf schaue mich nicht zu sehr zu überfordern und zu erkennen, dass wenn das Zwanghafte mehr wird etwas kürzer zu treten - tut schon gut. Sorgen ist nicht schlecht - Angst ist meist zu viel. Ich merke aber schon auch, dass ich es übertreiben kann damit, über mich selbst nachzudenken und das immer wieder Ähnliches zu durchdenken ohne recht weiter zu kommen - also das Grübeln, da tut es mir schon auch gut, mich mal auf das oder die Menschen rundum mehr zu konzentrieren. Wenn ich merke der Zwang wird mehr und vermeintlich tue ich etwas um mehr Sicherheit für mich oder andere zu bekommen - dann finde ich es schon interessant, dass das womöglich nur mein Hirn macht um in einem Teilbereich des Lebens scheinbar alles in Ordnung zu bringen um zur Ruhe zu kommen. Und dann macht es für mich schon Sinn, mir von vornherein mehr Ruhe zu gönnen (oder es können auch mal angenehme Aktivitäten sein - denn ich kenne das schon auch, dass mir Nichts-Tun nicht immer gut tut) und dann braucht es gar nicht so viel vom Zwang. Das Nachforschen in der Kindheit, woher der Zwang kommt, damit habe ich mich auch noch nicht so viel beschäftigt, aber im Kontakt mit meiner Kernfamilie beobachte ich schon, wie tun die mit mir oder anderen und wie könnte das damit zusammenhängen, dass es zu Zwängen führt. Meine Erfahrung mit reiner Verhaltenstherapie ist die, dass es da schon etwas an Nachhaltigkeit gefehlt hat.
ChristianOCD
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Re: Sinn und Funktion des Zwangs

Beitrag von ChristianOCD »

Nachdenken hat ja einen Anfang und ein Ende. Sorgen und Grübeln dreht sich im Kreis ohne Ergebnis. Letzteres meine ich. Wie Du schreibst - raus aus dem Gegrübel und Sorgen machen und mehr in die Aktivität im Außen gehen. Find ich nicht leicht, gerade weil ich das über Jahre nicht mehr ausreichend praktiziert habe.
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SHG
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Zum Guten überwinden

Beitrag von SHG »

Freut mich, dass du dich dann hier schon mal aktiver beteiligt hast mit deinen Beiträgen. Ich wünsche dir, dass es dir auch im weniger digitalen Leben gut gelingt. Ja, da kommen dann wieder andere Ängste dazu (ich bleib dabei Sorgen ist nicht so schlecht - Ängste sind meist zu viel ;) ) - aber die sind da um sie zu überwinden, wenn du meinst, dass sie übertrieben sind und dich daran hindern, das zu tun, was dir eigentlich wichtig ist. Von Kimberly Quinlan, einer australischen OCD-Expertin, gibt es dazu die schöne Anregung „It‘s a beautiful day to do hard things“ - heute vielleicht nicht mehr, außer du bist recht ein Abend-Mensch - aber morgen gibt es bestimmt eine Gelegenheit, etwas Vermiedenes vielleicht auch nur in Mini-Schritten anzugehen. Gutes Gelingen! Und vielleicht magst du uns dann kurz berichten, ob du damit was anfangen konntest…
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