Allgemeine Taktiken, um mit einem Zwang umzugehen

Antworten
Daniel123

Allgemeine Taktiken, um mit einem Zwang umzugehen

Beitrag von Daniel123 »

Hallo,

ich habe eine Frage an Euch:

Welche allgemeinen Taktiken kennt ihr im Moment des Zwanges, diesen nicht auszuführen? :geek:

Würde mich einfach nur interessieren.

Vielen Dank für Eure Rückmeldungen.

Lieber Gruß Daniel
Benutzeravatar
Yorge
Beiträge: 333
Registriert: Fr 1. Jun 2018, 23:36

Möglichkeiten

Beitrag von Yorge »

Ich schreibe dir was Konkretes, weil das ist denke ich schon mal die erste Taktik:
Du sollst versuchen etwas anders machen, als bisher und anders, als du es gewohnt bist.

Als ich dein Posting gelesen habe, bin ich gerade im Bus gefahren und beim Aussteigen musste ich die Taste zum Öffnen der Tür drücken und einen Moment darauf ist mir eingefallen, dass da ja vor mir sicher der "suspekte" Typ auch gedrückt hat und ich hatte das Bedürfnis mir die Hände zu waschen, bevor ich meine Sachen angreife.. Ich dachte aber noch über deine Frage nach und es war mir schon klar, dass es eigentlich nicht vernünftig ist die Hände jetzt zu waschen, sondern der Zwang will das von mir - ich denke, das ist schon mal viel wert zu erkennen:
Das ist jetzt der Zwang, eine unbegründete Angst -ich weiß auf lange Sicht tut es mir nicht gut dem Bedürfnis nachzugeben, die Anspannung mit einer Handlung /Gedanken gleich mal zu reduzieren. Also mal Innehalten. "Hm, soll ich jetzt dem Drang nachgeben und das tun, was die Angst jetzt gleich reduziert oder lieber nicht, weil es mir auf lange Sicht schadet" - Das ist jetzt Zweifeln (Bei einer wirklichen Gefahr würde ich nicht zweifeln sondern gleich mal entsprechend handeln). Normalerweise oder eher zwängelnderweise würde ich jetzt weiter zweifeln ("Händewaschen oder nicht, nichts angreifen, bis ich die Hände gewaschen habe oder lieber gleich was angreifen.."). Zusätzlich zum unangenehmen Gefühl der (objektiv unbegründeten) Angst kommt jetzt noch das unangenehme Zweifeln und je länger das jetzt weiter geht, um so unangenehmer wird es und umso größer das Bedürfnis, das zu beenden, indem ich mir die Hände wasche.
Damit ist aber die Diagnose gestellt: unbegründete Angst und immer unangenehmer werdendes Zweifeln, das ist ZWANG.

Damit 2 Möglichkeiten zwischen denen ich (für den Moment) entscheiden muss:
Kurzfristig die Zweifel und Angst los werden: Hände waschen
Langfristig die Zweifel und Angst los werden: Nicht Hände waschen, ev. gleich mal was angreifen, was ich eigentlich 'sauber' halten will
:?:
Und jetzt kommt was, was ev. verwundern könnte und wobei ich mir selber nicht ganz sicher bin, aber im Moment denke ich, dass durchaus beide Möglichkeiten richtig sein können. Es gibt einfach Zeiten, da gibt man auch so einem Zwang nach. Sich dann dafür verurteilen bringt ja auch nichts. Natürlich ist es gut, wenn man schaut, dass man seine langfristigen Ziele verfolgt - aber dazu sollte immer auch gehören SICH SELBST BEDINGUNGSLOS ZU LIEBEN, gut für sich selbst zu sorgen, sich auch mal in Ruhe lassen, sich zu verzeihen. Ich denke, ohne diese unbedingte Selbstannahme wird das, was du dir an der Oberfläche aufbaust, einübst, anlernst, selbst aufzwingst,.. immer wieder zu bröckeln anfangen.
Nur auf einem stabilen, aber auch etwas flexiblem Fundament wird das, was du dir aneignest langfristig halten.
Ich habe mir in der erwähnten Situation die Hände nicht gewaschen, weil ich entschieden habe, dass das für mich jetzt passt.
Das gute Leben .. ist eine Richtung, kein Ziel. [Carl Rogers]
Oliver

Re: Allgemeine Taktiken, um mit einem Zwang umzugehen

Beitrag von Oliver »

Hi,

Taktiken, die ich im Moment ausprobiere sind Folgende:

1. Zwangsgedanken festhalten:

Normalerweise versucht man Zwangsgedanken sofort zu unterdrücken und sich mit irgendetwas abzulenken. Das klappt aber meist bestenfalls kurzfristig. Also probiere ich den aktuellen Gedanken festzuhalten. Meine ersten Erfahrungen damit sind, dass das auch schwierig ist. Wenn man den Zwangsgedanken bewusst immer wieder denkt, merkt man, dass man irgendwann anfängt, abzuschweifen. Der Zwangsgedanke entgleitet einem und man denkt an andere Sachen. Ich empfinde das als positiv. Anstatt das Gefühl zu haben, den Gedanken nicht loszuwerden, hat man dann das Gefühl, den Gedanken nicht halten zu können. Das Gehirn langweilt sich eben irgendwann, wenn es immer dasselbe denken soll. Und das schließt Zwangsgedanken anscheinend mit ein. Manchmal befehle ich dem Zwangsgedanken auch, gefälligst dazubleiben, weil ich noch nicht fertig mit ihm bin. Anstatt dass der Gedanke dich dominiert, sagst dann du dem Gedanken, wo es langgeht.


2. Zwangsgedanken übertreiben:

bei Katastrophengedanken kann es auch hilfreich sein, die Katastrophe gedanklich immer weiter auszubauen. Ziel ist es, das Ganze so weit zu treiben, bis es absolut absurd wird und man innerlich darüber schmunzeln muss. Beispiel: Du hast den Gedanken, den Wasserhahn nicht abgedreht zu haben. Dann stellst du dir vor, dass der Wasserhahn voll aufgedreht ist. Als nächstes nutzt du den Abflussstopfen, damit das Waschbecken überlaufen kann. Jetzt lässt du den Wasserpegel in deiner Wohnung immer weiter ansteigen. Irgendwann fliegt die Wohnungstür vom immer weiter zunehmenden Wasserdruck auf und eine riesige Flutwelle ergießt sich aus der Tür. Jetzt ist es an der Zeit, sich das Surfbrett zu schnappen und auf dieser Woge zu surfen. Oder du nimmst dir die Luftmatratze, um sich auf dem See, der jetzt vor deinem Haus enstanden ist, etwas treiben zu lassen und die Sonne zu genießen. Irgendetwas in der Art halt.


3. Zwangsgedanken protokollieren:

Bei den ersten beiden Taktiken bin ich nicht ganz sicher, ob sie wirklich sinnvoll sind, aber Zwangsgedankenprotokolle halte ich auf jeden Fall für sinnvoll. Was ist damit gemeint? Wenn Du einen Zwangsgedanken hast, schreibe ihn auf und notiere auch die Intensität der Anspannung, die der Gedanke auslöst. Dann prüfst du z.B. nach einer Stunde wie angsteinflössend der Gedanke jetzt ist, dann vielleicht noch mal nach 3 Stunden.
Bei mir nimmt die Anspannungsintensität immer ab. Das ist auch normal so. Nur habe ich über den Tag so viele Zwangsgedanken, dass ich oft am Nachmittag die Zwangsgedanken vom Vormittag vergessen habe. Ich bin dann mit meinen aktuellen Gedanken beschäftigt. Das Protokoll hilft einem, die Gedanken vom Vormittag noch mal zurückzuholen und zu merken, dass sie jetzt viel weniger angsteinflössend sind. Das ist eine sehr beruhigende Erfahrung. Die Protokolle helfen einem, zu verstehen, dass die Anspannung durch Zwangsgedanken nur temporär ist. Natürlich weiß man das auch, wenn man keine Protokolle führt. Aber es wirkt tatsächlich besser, wenn man es aufgeschrieben hat und nachlesen kann.


LG
Oliver
Benutzeravatar
michael_m
Beiträge: 613
Registriert: Di 17. Apr 2018, 20:01

Re: Allgemeine Taktiken, um mit einem Zwang umzugehen

Beitrag von michael_m »

Mir hilft es auch, wenn ich bewusst auf meine Atmung achte, um mich etwas zu beruhigen.

Oder aber auch, wenn ich mir gut zurede.
Kämpferin

Re: Allgemeine Taktiken, um mit einem Zwang umzugehen

Beitrag von Kämpferin »

Daniel123 hat geschrieben: Mi 8. Aug 2018, 20:23 Hallo,

ich habe eine Frage an Euch:

Welche allgemeinen Taktiken kennt ihr im Moment des Zwanges, diesen nicht auszuführen? :geek:

Würde mich einfach nur interessieren.

Vielen Dank für Eure Rückmeldungen.

Lieber Gruß Daniel
Meine Therapeutin hat mir bis jetzt zwei Dinge empfohlen:

1) Atemübungen, um die Anspannung loszuwerden.

2) Gedankenspiele, um den Kopf zu beschäftigen, damit er sich keine Zwangsgedanken machen kann. Ich hab sie an anderer Stelle schon mal beschrieben, aber ich bin grad so schreibmotiviert, deswegen mach ich es hier nochmal :D
a) Eine Wortgruppe aussuchen (Länder, Namen, Rezepte, Serien, etc.) und dann zu jedem Buchstaben des Alphabets (in der richtigen Reihenfolge) ein Wort dazu finden.
b) Zu jedem Buchstaben im Alphabet (wieder in richtiger Reihenfolge) einen Satz bilden, dessen Wörter alle mit diesem Buchstaben anfangen, z.B.: "Achtzig Ameisen aßen auf alten Autoreifen acht Aepfel aber achteten auch auf Ameisenbären".

Mir helfen diese Spiele total gut und manchmal spiele ich sie auch bei leichter Anspannung nur so aus Spaß. :)
Antworten